Wagner, Richard
Siegfried
4 CDs
Ganz am Ende nach dem großen Liebesduett mit Siegfried hat Brünnhilde die Wahl, ob sie für ihren letzten Ton der Phrase Leuchtende Liebe, lachender Tod! zum dreigestrichenen C hinaufsteigt oder die sichere Lösung mit der tieferen Oktave wählt. Catherine Foster geht das höhere Risiko ein und triumphiert. Dabei muss sie nicht einmal alle Kräfte sammeln, um diesen Spitzenton zu stemmen. Mühelos und unangestrengt erreicht sie diesen Gipfel. Strahlend markiert dieses lange ausgehaltene C den Gipfel der Ekstase und setzt damit den Schlusspunkt unter eine von Dirigentin Simone Young psychologisch ausgedeutete Begegnung der Liebenden. Man merkt Catherine Foster an, dass sie noch nicht so lange im schweren Fach unterwegs ist. Vor zehn Jahren hat die britische Sopranistin noch die Mimi gesungen. Ihre Brünnhilde hat einen enormen Farbenreichtum, eine ganz warme Tongebung und eine selbstverständliche Höhe. Damit veredelt sie diesen auch sonst wunderbar klangsinnlichen Siegfried, der als Livemitschnitt auf CD erschienen ist. Mit der gerade veröffentlichten Götterdämmerung ist der zwischen 2008 und 2010 entstandene Hamburger Ring (Regie: Claus Guth) nun auch komplett nachzuhören ein lohnendes Unterfangen.
Die Philharmoniker Hamburg spielen unter ihrer Chefdirigentin Simone Young vielschichtig, intensiv und vor allem homogen. Die Mischung der Instrumentalfarben ist ausgezeichnet. Nur die vor allem beim Waldweben im zweiten Aufzug nicht immer gut intonierenden Holzbläser trüben ein wenig den guten Gesamteindruck. Vor allem versteht es die Dirigentin, diesen Siegfried in jeder Phase musikalisch zu bebildern, zu dramatisieren und mit Spannung aufzuladen. Schon im Vorspiel zum ersten Aufzug wird es unheimlich, wenn die Fagotte in Terzen abfallen und sich langsam im Orchester der hämmernde Rhythmus herausschält. Young lässt die Bassklarinette erzählen und die Celli singen. Und wenn dieses Orchester mal alle Maschinen anwirft wie etwa in der Schmiedeszene oder dem Feuerzauber , dann entsteht ein Sog, von dem man sich gerne mitreißen lässt. Nur gelegentlich wackelt es in der Koordination, aber diese Unstimmigkeiten werden stets nach wenigen Takten behoben.
Gesungen wird exzellent. Kein Wagner-Gebrüll, kein Bell-canto; erstaunlich kantabel ist das alles und höchst differenziert. Christian Franz ist ein eher leichter, jugendlicher Siegfried, dessen leuchtender Tenor nur in den dynamischen Spitzen an Grenzen kommt. Peter Galliard entwirft keine Karikatur von Mime, sondern verleiht dem Zwerg ein menschliches Gesicht. Den Wanderer singt Falk Struckmann mit höchster Legatokunst und warmer, vibratoreicher Tongebung. Wolfgang Koch ist ein überragender, gestählter Alberich mit hoher Durchschlagskraft. Artikuliert wird im gesamten Solistenensemble hervorragend die Textverständlichkeit ist vorbildhaft. Und da auch Deborah Humble (Erda), Diogenes Randes (Fafner) und Ha Young Lee (Waldvogel) klare Rollenprofile entwickeln, kann man in den mitgeschnittenen Jubel der Publikums nur einstimmen.
Georg Rudiger