Detlef Giese, Susanne Lutz, Matthias Schulz (Hg.)

Sieben Jahre Staatsoper Unter den Linden 2017–2024

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden, Berlin
erschienen in: das Orchester 1/2025 , Seite 67

Diese Dokumentation umfasst eine bewegte Zeit: 2017 wurde der Knobelsdorff-Bau der Berliner Staatsoper Unter den Linden nach siebenjähriger Bauzeit, dem parallelen Domizil im Schillertheater und mehrfachen Verschiebungen am 3. Oktober 2017, kurz vor dem 275. Geburtstag des Orchesters, wiedereröffnet. Diese Spielzeit gestalteten der scheidende Jürgen Flimm und Matthias Schulz als Intendanz-Doppelspitze. Elisabeth Sobotka folgt Schulz ab 2024/25, Christian Thielemann übernimmt neben ihr die Generalmusikdirektion der Staatskapelle Berlin. Daniel Barenboim war bereits am 31. Januar 2023 aus gesundheitlichen Gründen als GMD zurückgetreten, sein Vertreter Thomas Guggeis verabschiedete sich als Staatskapellmeister am 8. Mai 2023. In diese sieben Jahre fielen das 450-Jahre-Jubiläum der Staatskapelle Berlin, das die Deutsche Grammophon mit einer 15-CD-Box feierte, und das 200-Jahre-Jubiläum des Chores, welcher anlässlich der Uraufführungen von Spontinis Olympia an der Hofoper und von Webers Der Freischütz im Neuen Königlichen Schauspielhaus als Berufschor institutionalisiert worden war.
Dem „technischen Steckbrief in Daten und Zahlen“ folgt ein Gespräch zwischen Carolin Emcke und Matthias Schulz, unter anderem über Oper als „Schule der Empathie“ und deren „gesellschaftliche Relevanz“ bis zur auf 1,6 Sekunden verbesserten Nachhallzeit im Zuschauerraum. Mehrere Fakten finden bis zu dreimal Erwähnung: in den Aufsätzen zu Einzelthemen, den Spielzeitüberblicken mit Besetzungen aller Sparten und Gattungen (ohne Vorstellungen des Staatsballetts Berlin) sowie der Chronik.
Letztere ist der interessanteste Teil des Bandes, weil da auch Aspekte der früheren Geschichte einfließen. So erfährt man zum Beispiel, dass Barenboim 2018 bereits seine dritte Lindenoper-Premiere von Tristan und Isolde nach 2000 und 2006 dirigierte. Neben der Zauberflöte-Neuinszenierung von Yuval Sharon von 2019 blieb die Produktion von August Everding mit den rekons­truierten Bühnenbildern von Karl Friedrich Schinkel von 1994 im Repertoire. Erwähnt werden zahlreiche Konzert-Highlights, die Gründung der alljährlich im Herbst stattfindenden Barocktage mit führenden Fachensembles und drei Opern-Uraufführungen im großen Haus: Beat Furrers Violetter Schnee (2018), Peter Eötvös’ Sleepless nach Jon Fosse (2021) und Melancholie des Widerstands von Marc-André Dalbavie nach László Krasznahorkai (2024).
Die Debatten über Auftritte der Gesangsstars Anna Netrebko und Plácido Domingo in den Medien und sozialen Netzwerken bleiben dagegen unerwähnt, die Spezifizierung der Lindenoper neben den anderen vier Betrieben der Stiftung Oper in Berlin wird nur marginal gestreift. Fotos und die Listen von Ereignissen aller Sparten, auch des Opernkinderorchesters, der Klimakonzerte sowie der Reihen „Out Of the Opera“ und „Cocktail & Movie Nights“ laden zum Schmökern und Erinnern ein.
Roland Dippel