Anno Schreier

Sieben Ballett-Szenen

für Violine, Violoncello und Klavier, Partitur (zugleich Spielpartitur) und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 70

Der Komponist der Sieben Ballett-Szenen, Anno Schreier, wurde 1979 in Aachen geboren. Nach Kompositionsstudien in Düsseldorf, München und London wirkt er seit 2008 als Lehrkraft für Musiktheorie an der Musikhochschule in Karlsruhe. Für sein Schaffen erhielt er Stipendien im Künstlerhaus Ahrenshoop und der Villa Massimo in Rom sowie etliche Preise, vor allem für seine Bühnenwerke, uner anderem den „Teatro minimo“ 2009 in Zürich und 2017 den Deutschen Musikautorenpreis.
Das etwas 15-minütige Kammermusikwerk besteht aus sieben charakteristischen Sätzen, welche kontrastreich in den Stimmungen und den unterschiedlichen tänzerischen Bewegungen sind. Die Tonsprache erinnert an eine Weiterführung der Zweiten Wiener Schule und deren Idiom der Reihen- und Motivbildung. Auch Messiaen’sche Modi begegnen uns in dem transparenten, gut gestalteten, oftmals polyfon angelegten Satzbild.
Der Klavierpart ist meist linear oder in Intervallen geführt (mit auffallend vielen Sekunden). Komplexe Akkorde, wie etwa bei Messiaen, gibt es kaum. Dadurch kommen die kammermusikalischen Qualitäten der beiden Streicher gut zur Geltung.
Die Rhythmik ist sehr variabel und eröffnet in ihrer Vielgestaltigkeit unterschiedliche Gedankenspielräume, vor allem zu imaginären Tänzen. Dass eine Tanzform ganz deutlich hervortritt, wie etwa der Tango im siebten Satz, ist eher selten.
Dramaturgisch geschickt wechseln die Instrumente in den einzelnen Sätzen einander ab. Die dritte Ballett-Szene ist für Violoncello solo. In diesem mit „Inquieto“ betitelten Satz spielt das Cello oft zweistimmig. Pizzicati und Flageoletts ergänzen das kontrastreiche Klangbild. Im sechsten Satz spielen die beiden Streicher durchweg vierstimmig im lento, senza espressivo. Das Vivace des fünften Satzes läuft im Unisono gemeinsam mit dem Klavier. Die immer wiederkehrende Tonreihe des Werkbeginns erklingt hier im majestätischen Fortissimo.
Im umfangreichsten Schlusssatz kulminieren viele der bereits zuvor verwendeten kompositorischen Elemente: Nach einem geheimnisvollen Beginn mit bitonalen Terztremolos des Klaviers und freien Rubato-Bewegungen des Cellos in hoher Lage entwickelt sich ein leidenschaftlich zu spielender Tango. Erst beim abschließenden Vivace, mit martellato bezeichneten Sechzehnteln, tritt die Violine wieder hinzu und beendet die Ballett-Szenen mit einem getrillerten kurzen solistischen Nachklang und dem vorher oftmals verwendeten bitonalen Terzmotiv.
Die Sieben Ballett-Szenen wurden am 5. März 2013 in der bayerischen Akademie der Schönen Künste in München von Julia Galic (Violine), Jaka Stadler (Violoncello) und Silke Avenhaus (Klavier) uraufgeführt.
Der Notendruck ist übersichtlich und sehr gut lesbar. Die Sieben Ballett-Szenen sind in ihrer kompositorischen Dichte und mit der ansprechenden Vielseitigkeit sicherlich eine Bereicherung für das zeitgenössische Konzertrepertoire.
Christoph J. Keller