Kalkbrenner, Friedrich

Sextet, Septet, Piano Fantasy

Linos Ensemble

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 850-2
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 79

Friedrich Kalkbrenner (1785-1849) ist in der Musikgeschichte allenfalls aus zwei Fußnoten bekannt: Chopin lehnte ihn als Klavierlehrer ab, um selbst künstlerisch unabhängig zu bleiben; in die Pianofortefabrik Pleyel stieg er als Miteigentümer ein, um deren Instrumente auf dem Konzertmarkt durchzusetzen. Vergessen ist, dass er in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten Klaviervirtuosen Europas galt (selbst Czerny, Hummel oder Moscheles sind bekannter geblieben); vergessen ist seine Klaviermethodik (zur Optimierung der Armbewegung setzte er auch ein „Chiroplast“ genanntes Folterwerkzeug ein); vergessen ist auch sein kompositorisches Schaffen mit einem Werkkatalog von 190 Opera, völlig auf sein Instrument zentriert (Solowerke, Kammermusik mit Klavier, Klavierkonzerte).
Das Linos Ensemble bemüht sich mit seiner neuesten CD um die Rehabilitierung Kalkbrenners als Komponist. Das Sextett für Klavier und Streichquintett in G-Dur op. 58 ist traditionell viersätzig angelegt, mit Vertauschung der Mittelsätze. Der Hauptgedanke des Kopfsatzes erinnert an Beethoven oder Schubert, ohne jedoch weiter ausgeführt zu werden im Sinne thematischer Arbeit. Das Menuett beginnt mit Hemiolen, die wie Taktwechsel wirken, zeigt auch harmonische Überraschungen, doch beides bleibt Episode. Der „Cantabile“ überschriebene langsame Satz ist ein Notturno, das sich dramatisch steigert. Hier zeigt sich durch Oktavierungen der Streicher eine spezielle Klangfärbung, zugleich aber auch eine Schwäche des Satzes, der durch die Konzentration auf das Klavier zu wenig Klangentfaltung zulässt. Das simple, fast banale Thema des abschließenden Rondos wird aufgefangen durch einige originellere Nebengedanken.
Als Zwischenstück ist die Klavierfantasie über das schottische Air We’re A’Noddin op. 60 beigegeben, ein längeres Salonstück, von Konstanze Eickhorst, die zum Linos Ensemble gehört, brillant vorgetragen. Das abschließende Septett in a-Moll op. 132 für Klavier, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Cello und Kontrabass ist ein verkapptes Klavierkonzert. Die Klangfarbe der Blasinstrumente ist zwar ungewöhnlich und lässt aufhorchen, bleibt jedoch zu sehr Nebensache.
Kalkbrenners Stücke gehören eher zum „popularen“ Stil. Harmonisch steht er auf der Höhe der Zeit, hält für Klavierspieler dankbare Aufgaben bereit, kann (meist) niveauvoll unterhalten. Die vorgestellten Stücke werden vermutlich kaum ins Repertoire eingehen. Dazu dürften die zu geringen Aufgaben für die Nicht-Klavierspielenden, die nicht-tradierten Besetzungen, die Konzentration auf den erhabenen Stil bei vielen Kammermusikensembles, das riesige Repertoire und die begrenzte Nachfrage nach Kammermusik beitragen. Das Linos Ensemble, hochkarätig besetzt mit sehr erfahrenen Solisten, Orchester- und Kammermusikern und Professoren, hat den Vorteil, aus einem größeren Grundstamm von Musikern die verschiedensten Besetzungen bedienen zu können. Insofern hat das Ensemble für sich hier möglicherweise eine Erweiterung seines Repertoires finden können. Wer einen Kalkbrenner versuchen will, benötigt einen sehr guten Klavierspieler.
Christian Kuntze-Krakau