Eötvös, Peter

Seven (Memorial for the Columbia Astronauts)

für Violine und Orchester (2006)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: das Orchester 03/2011 , Seite 64

„Die Columbia-Katastrophe am 1. Februar 2003 war ein dramatisches Ereignis, das mich außerordentlich berührt hat… Seit Langem schon dach­te ich darüber nach, ein Violinkonzert zu schreiben. Vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse um die 28. Space Shuttle Mission griff ich diese Idee wieder auf; … Alle sieben Astronauten erhielten eine persönliche Widmungskadenz. Auch die Darstellung ihrer Persönlichkeiten spiegelt sich in der Komposition wider, so zum Beispiel durch Anklänge der musikalischen Kulturen von Kalpana Chawla, der in Indien geborenen amerikanischen Astronautin… Die Zahl 7 bestimmt die musikalische und rhythmische Gestaltung des Werkes und beschreibt gleichzeitig das Grundprinzip der Komposition: 49 Musiker sind in 7 Gruppen aufgeteilt, neben der Sologeige gibt es 6 weitere Violinen, die im Saal verteilt sind. Sie sind wie sieben Satelliten oder Seelen, die klingend im Raum schweben. Das Violinkonzert Seven ist … der musikalische Ausdruck meines Mitgefühls für die sieben Astronauten, die ihr Leben für die Erforschung des Alls und damit für die Erfüllung eines Menschheitstraums ließen.“
Die Erschütterung glaubt man Peter Eötvös aufs Wort, teilt sie sich doch in jeder Phrase dieses Violinkonzerts geradezu beschwörend intensiv mit. Violinkonzert mag allerdings nur teilweise zutreffen. Passender – dafür weniger publikumswirksam – wäre es wohl, von einem Orchesterwerk mit obligater Solovioline zu sprechen, denn das Soloinstrument ist besonders im 2. Teil kunstvoll in den Orchesterklang eingebettet, mit ihm verwoben, scheint sich als Primus inter Pares in das Ensemble zurückzuziehen, um dann wieder führend aus dem Kollektiv hervorzutreten. Die Klangsprache ist durchweg sprechend-deklamatorisch, wirkt „post-expressionistisch“ und bewahrt auch in stark dissonanten Passagen, in den zahlreichen Glissandi, ja sogar in Clustern ihr eigentümlich sinnliches Flair. Gelegentlich scheinen ganz von fern Berg, Bartók und Ligeti durchzuschimmern. Hier wirkt alles erhört, nichts am Computer errechnet. Äußerst gelungen und farbig ist die Instrumentierung, der man wohl anmerkt, dass Eötvös gleichzeitig auch ein international gesuchter Stardirigent und erfahrener Orchesterpraktiker ist.
„Komponieren besteht für mich aus Verzauberung der Zuhörer durch Klang… Mich interessiert die Technik, mit der ich das Unglaubliche zum Klingen bringen kann.“ Offensichtlich beherrscht er sie und hat mit Seven ein ausdrucksstarkes, bedeutendes Werk geschaffen. Leicht zu spielen ist es allerdings nicht, weder für das Orchester noch für den Solisten. Zwar bedient sich der Solopart durchgehend klassischer Spieltechniken und verzichtet auf Experimente, verlangt dem Solisten aber ansonsten geigerisch, klanglich sowie rhythmisch einiges ab. Besonders knifflich dürfte sich das Zusammenspiel gestalten. Es bedarf in jedem Falle hervorragender Musiker und eines erfahrenen, äußerst kompetenten Dirigenten. Solisten sollten sich davon nicht abschrecken lassen, jedoch genügend Zeit zum Einstudieren und Proben einplanen. Es dürfte sich lohnen! Die Ausgabe ist übersichtlich gestaltet mit gut überlegten Wendestellen im Solopart, lesefreundlich und sorgfältig (ein kleiner Druckfehler auf Seite 2 der Solostimme in Takt 7 der „third cadenza“).
Herwig Zack