George Antheil
Serenades 1 & 2/The Golden Bird/Dreams
Württembergische Philharmonie Reutlingen, Ltg. Fawzi Haimor
Es sind gewiss vier Gelegenheitswerke von George Antheil (1900-1959), die wir auf dieser neuen CD hören. Sie zeigt aber auch eindrucksvoll, wie der US-Amerikaner deutscher Herkunft (seine eigentlichen Vornamen waren Georg Johann Carl) so etwas mit lockerer Hand und zugleich in hoher Qualität hinwerfen konnte. Dass es darin immer wieder Anspielungen auf Werke anderer Komponisten gibt, französische und vor allem russische sowie natürlich amerikanische, erscheint dabei nicht entscheidend.
Je zwei der hier eingespielten Werke zählen zu einer jeweils anderen Seite der Neoklassizismus-Medaille. Den eher „wilden“ Aspekt der Zwischenkriegszeit bedienen die Chinoiserie-Miniatur The Golden Bird (1922) und die Ballettmusik Dreams (1934/35).
Letztere bestellte der große Choreograf George Balanchine bei Antheil, denn er wollte das Libretto von André Derain über die absurden Erfahrungen einer Primaballerina nun in New York nicht mehr mit der ursprünglichen Musik von Darius Milhaud aufführen wie ein Jahr zuvor in Paris (diese Fassung könnte Antheil erlebt haben, denn auch er hielt sich damals in der französischen Hauptstadt auf).
Die farbliche Fülle, die Antheil in den halbstündigen Dreams aus seinem kleinen Orchester aus Flöte/Piccolo, Oboe, zwei Klarinetten, Fagott, je zwei Hörnern und Trompeten, Posaune, Pauken, Schlagzeug, Klavier und Streichern holt, ist enorm.
Den eher „gesitteten“ Aspekt der Nachkriegszeit bedienen die beiden Serenaden. Nr. 1 für Streichorchester entstand 1948 im Auftrag der
legendären Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge und erscheint besonders gründlich gearbeitet. Nr. 2 komponierte Antheil 1950 für ein kleines Orchester aus zwei Flöten, Oboe, Klarinette, Fagott, zwei Hörnern, Trompete, Posaune, Pauken, Schlagzeug, Klavier und Streicher. Sie wirkt wie eine fast sinfonische Synthese des Vorhergehenden, auch durch die Selbstzitate im Kopfsatz (aus dem „King’s March“ der Dreams und dem ersten Satz der ersten Serenade).
Das sind keine Ersteinspielungen, aber wirklich gute Einspielungen. Die „französische“ Färbung und Klarheit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen passt sehr gut zu dieser Musik. Nur manchmal hakt es ganz wenig. Der Chefdirigent Fawzi Haimor, geboren 1983 in Chicago, bringt dieses Orchester hörbar nach vorne, mit viel Bewusstsein für Stil und Details. Die besonders dankbaren Solostellen in der Streicher-Serenade kommen beseelt herüber.
Leider wurde für die beiden Werke für kleines Orchester eine etwas zu große Streicherbesetzung gewählt, die stellenweise den subtilen und komplexen Satz der übrigen Instrumente fast verdeckt, so im „Acrobate“ der Dreams das
(fünf Jahre vor John Cage!) präparierte Klavier (mit Papierstreifen auf den Klaviersaiten, alla harpsichord).
Ingo Hoddick