Bohuslav Martinů

Serenade Nr. 3 H 218

Urtext, hg. von Jitka Zichová, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 69

Martinů war ein Meister der leichten und beschwingten Schreibweise. Er wandte sich nach seinem Studium bei Josef Suk in Prag dem Neoklassizismus der französischen Prägung zu und studierte bei Albert Roussel. Die Serenaden Nr. 1 bis 4 legen davon beredtes Zeugnis ab. In die vierte Serenade, die chronologisch als erste vollendet war, schrieb der Komponist eine Widmung an die „Societé d’etudes Mozartiennes de Paris“ – wobei nicht nachgewiesen werden kann, ob es sich hier um ein Auftragswerk handelte oder einfach eine Aufführung des Werks in diesem Rahmen stattgefunden hat. Wie auch immer passt die Widmung, denn die „kleinen Serenaden“, wie Martinů sie in seiner Korrespondenz erwähnte, knüpfen in ihrer Textur an das Vorbild Mozart an. Die ungewöhnlichen und wechselnden Besetzungen der Serenaden, die in der vorliegenden 3. Oboe und Klarinette in B mit vollem Streichersatz kombiniert sind, zeichnen gerade die Pariser Zeit Martinůs aus. 1932 entstanden, ­beschreibt das Werk in seiner zunächst simplen rhythmischen Faktur eine Einfachheit, die sich im weiteren Verlauf dennoch als äußerst subtil und intelligent erweist.
Nur für kurze Momente verdichtet sich im ersten Satz der instrumentale Gestus zu einer motorisch dramatischen Passage, die bei allem Neoklassischen für die Kürze des Augenblicks eine rhythmisch harmonische Gegenwart in Szene setzt, die sich dennoch bruchlos ins gesamte Klangbild einfügt. Im zweiten Variationssatz reizt Martinu verstärkt das Zusammenspiel der Instrumentalgruppen aus. So besticht die erste Variation durch den dynamischen Kontrast der lauteren, melodisch tragenden Streicher, während die Holzbläser im Hintergrund raffiniert irritierende Klangtupfer beisteuern, die dem Gesamtklang einen fast exotischen Charakter verleihen. Sich steigernd zu einem Fugato in der dritten Variation bleibt das Finale verhalten und endet so bescheiden, als wäre nichts gewesen. Im Rahmen des Gesamtzyklus der Serenaden bildet die dritte daher einen scherzo-artigen Kontrast zur sehr viel wuchtigeren vierten Serenade.
Diese Kunst der feinen Dosierung macht das kurze Stück zu einer kleinen Perle. Die erneute Herausgabe durch den Bärenreiter-Verlag Prag ist daher ausgesprochen sinnvoll. Zwar erweisen sich die Quellen als sehr dankbar und klar, sodass es großer kritischer Berichte nicht bedurfte (als Grundlage dienen das im Tschechischen Musikmuseum aufbewahrte Autograf sowie die gedruckte Ausgabe des Melantrich-Verlags von 1949), aber das sehr ansprechende Notenbild auf abgetöntem Weiß sowie das glatte Papier von Partitur und Stimmen sind im digitalen Zeitalter ein haptisches Erlebnis. Das deutliche und vor allem die Dynamik differenziert wiedergebende Notenbild erscheint vor allem für das Studium zwischen Gesamtklang und Einzelstimme ausgesprochen sinnvoll, um die klanglichen Nuancen präzise zu verstehen und im gemeinsamen Zusammenspiel adäquat umzusetzen. So schlicht die Komposition daherkommt, so zerbrechlich ist sie zugleich in ihrer fein ziselierten Gestaltung.
Steffen A. Schmidt