Werke von Thomas Baltzar, Nicola Matteis, Johann Paul von Westhoff und anderen
Senza Basso – Auf dem Weg zu Bach
Nadja Zwiener (Barockvioline)
Die Idee, anhand von solistischer Violinmusik auf die vielen Höhepunkte des unbegleiteten Violinrepertoires vor Johann Sebastian Bachs Sonaten und Partiten hinzuweisen, ist zwar nicht ganz neu – die Amerikanerin Augusta McKay Lodge hat gerade erst 2018 bei Naxos eine vergleichbare Zusammenstellung vorgelegt –, wird aber in Nadja Zwieners CD neu ausgelotet. Neben mehrsätzigen Werken hat die Geigerin eine ganze Reihe kürzerer Stücke ausgewählt – darunter etwa Originalkompositionen von Thomas Baltzar und Nicola Matteis sowie Bearbeitungen von Stücken Arcangelo Corellis, Giuseppe Torellis und Henry Purcells aus den von John Walsh herausgegebenen Select Preludes or Volentarys for the Violin (1705).
Leider zeigt die Praxis, dass die wenigsten der hier versammelten Kompositionen Bestandteil des Unterrichts an Hochschulen sind und die Studierenden daher bis heute wesentliche Teile der Geschichte ihres eigenen Instruments nicht kennen. Insofern lässt sich die Produktion auch als Einladung verstehen, sich näher mit diesem noch lange nicht ausgeloteten, solistischen Repertoire zu beschäftigen.
Bereits die zu Beginn erklingenden Werke von Baltzar (Prelude) und Matteis (Passagio Rotto, Andamtento Veloce e Fantasia) lassen die besonderen Qualitäten von Zwieners Vortrag hervortreten: Technisch souverän setzt die Geigerin die spärlichen Angaben aus den Originaldrucken mit einem Maximum an Abwechslungsreichtum bei Bogenstrich und Tongebung um, hebt gekonnt die Stimmführungen hervor, wenn eingestreute Akkorde dies erfordern, oder lässt das Passagenwerk locker und mit klug gesetzten agogischen Verzögerungen zur nachhaltigen Betonung von Tonhöhen zwecks Herausarbeitung latenter Mehrstimmigkeit erklingen.
Nicht nur in diesen miniaturhaften Stücken, sondern auch in den mehrsätzigen Kompositionen bleibt das Spiel der Geigerin mühelos: Johann Paul von Westhoffs Suite a-Moll (1696) klingt erstaunlich frisch, und insbesondere bei den schwierig zu realisierenden, vorwiegend akkordisch notierten Sätzen lässt sich Zwiener einiges einfallen, um (in Courante und Sarabande) den Vortrag durch Verzierungen bei den Wiederholungen aufzulockern oder (in der chromatischen Gigue) das Hören einem Vexierspiel mit harmonischen Verschiebungen auszusetzen. Ein besonderer Höhepunkt der Einspielung ist Johann Georg Pisendels anspruchsvolle Sonata à Violino solo senza Basso a-Moll (um 1717), deren Umsetzung nicht nur durch technische Meisterschaft, sondern auch durch viele farbenreiche, dynamische Schattierungen und einen klangsinnlichen Zugang zu den Kantilenen für sich einnimmt – Kennzeichen, die darüber hinaus auch in Zwieners Interpretationen von Johann Joseph Vilsmayrs Partita I A-Dur (1715) sowie in den zahlreichen Variationen der Passacaglia g-Moll aus Heinrich Ignaz Franz Bibers Rosenkranz-Sonaten (1676) immer wieder aufscheinen.
Stefan Drees