Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Diana Syrse, Joseph Haydn und Johann Christian Bach
Sein
Musikkollegium Winterthur, Ltg. Roberto González-Monjas
Menschliche Emotionen stellt die CD des Musikkollegiums Winterthur unter ihrem Chefdirigenten ins Zentrum – Leiden, Leidenschaft, Seufzer. Zwei Sinfonien in g-Moll setzen den Rahmen, Johann Christian Bachs spannungsvolle Sinfonie op. VI Nr. 6 von etwa 1769 und Mozarts große g-Moll „Nr. 40“ aus dem Jahr 1788. Die Sekundschärfungen der „Seufzerelemente“ werden besonders scharf gearbeitet und Akzente hervorgehoben, was nicht zuletzt der überschaubaren Besetzung der Bach-Sinfonie – 2 Oboen, 2 Hörner und Streicher – guttut. In der Mozart-Sinfonie übertreibt es Roberto González-Monjas vielleicht ein wenig mit der Betonung des Gestischen in der Musik – da ist alles ruhelos und nervös, aber eher im Sinne von Hysterie denn von innerer emotionaler Empfindung, der kaum Zeit gelassen wird. Es ist dies ein gerade im Kopfsatz ausgesprochen sportiver Mozart, mit akzentreichem Menuett und einem echten Andante als langsamem Satz, in dessen Verlauf tatsächlich kurzzeitig so etwas wie Beruhigung einkehrt.
Während sich das Musikkollegium Winterthur bei Mozart spürbar auskennt, kommt González-Monjas bei Johann Christian Bach an seine Grenzen – da schwankt das Spiel des Orchesters unentschieden zwischen historisch informierter Spielweise und innerem Wohlgefühl – Musik, die sich heute eher davor sperrt, von einem Sinfonieorchester gespielt zu werden (oder es braucht einen Spezialisten, der eventuell bestehende Zweifel überzeugend auszuräumen weiß).
Ein Musterbeispiel einer Sinfonie mit Seufzermotiven ist Joseph Haydns nicht authentisch so genannte La Passione (Sinfonie f-Moll Hob. I:49) von 1768 und in der Tat ein idealer Mittler zwischen Bach und Mozart. Auch hier überbetont González-Monjas die Klangrede, lässt die Musik nicht wirklich für sich selbst sprechen, lädt das Allegro di molto mit Agitation (nicht nur Energie) auf – doch es gelingt ihm nicht, seine Streicher im Pianissimo rhythmisch ebenso exakt spielen zu lassen wie im Forte. Doch eins ist klar – hier schläft niemand, alle sind hellwach und nach besten Kräften bei der Sache.
Eine Begegnung mit Mozart imaginiert die Mexikanerin Diana Syrse (geboren 1984) in ihrer Komposition Quetzalcóatl, benannt nach der gefiederten Schlange, die Natur, Macht und „die Dualität zwischen Dunkelheit und Licht und Befreiung“ symbolisiert. Das Werk ist klar in mehrere Abschnitte gegliedert, Syrses Klangsprache bleibt jederzeit tonal gebunden, ist aber um ein Vielfaches klangfarbenreicher als alle anderen Werke der CD. Die Auftragskomposition des Musikkollegiums Winterthur, die 2023 ihre Uraufführung erlebte, zeitnah zu den Tonträgeraufnahmen, ist hörbar mit größter Sorgfalt einstudiert.
Jürgen Schaarwächter