Ottorino Respighi
Sei Pezzi
per violino e pianoforte P 31 op. 31, Partitur und Stimme
Man täte den sechs Stücken für Violine und Klavier op. 31 von Ottorino Respighi sicher unrecht, bezeichnete man sie als Jugendwerke. Die Nähe zur gehobenen Salonmusik, die man in einigen der Sätze anklingen hört, verweist aber zumindest nicht auf gesteigerte Ansprüche des 22-jährigen Komponisten, der sich zu jener Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert seinen Lebensunterhalt noch als Orchestermusiker verdienen musste. Da entstanden einige Jahre später, auch in Respighis Kammermusik, Werke ganz anderen Kalibers.
Unterschätzen sollte man das halbe Dutzend der meist sehr lyrisch angelegten und kaum länger als fünf, sechs Minuten Spielzeit erfordernden Stücke aber dennoch nicht. Geht man mit zu viel Zurückhaltung ans musikalische Werk, erhält man einen ermüdet wirkenden Schumann, etwas seichten Brahms und trockenen Tschaikowsky. Hier sind stattdessen der große Ton, eine üppige Bandbreite im Klang und viel Differenzierung in der Phrasierung nötig. Und die Violine muss ganz unbedingt das Spiel machen wollen. Ohne virtuosen Anspruch keine Wirkung – da ist auch der junge Respighi schon ganz der alte.
Der einleitenden Berceuse, der schlichten Melodia und der fließenden Serenata ist nicht allein mit einem gesanglichen Geigenspiel beizukommen; hier braucht es den großen, vielleicht manchmal sogar den sinfonisch-orchestralen Ton, um Wirkung zu erzielen und nicht Gefahr zu laufen, in nette Unterhaltung abzugleiten. Die Klavierstimme ist hier wie auch in den übrigen Stücken zwar nur Begleitung, doch eine pastose Hintergrundmalerei würde Respighis Musik nicht gerecht werden. Prinzipiell ist der Notentext sogar offen genug, um auch dem Klavier den ein oder anderen Extra-Akzent zu erlauben.
Wollte man eines der Sei Pezzi besonders herausheben, fiele die Wahl bestimmt auf den Valse caressante. Duftig und leicht entwirft Ottorino Respighi hier einen Walzer mit Ballett-Ambitionen, der so ganz fern von jeglichem Alltagsgetrampel einen Gruß zu Peter Tschaikowsky hinübersendet. Hier im Zentrum der kleinen Sammlung ist vermutlich die größte Bewegungsdichte auszumachen, da es einen wirklich schnellen oder gar virtuosen Satz in diesem Opus 31 nicht gibt.
Tiefgründiger und dichter in der musikalischen Aussage sind die an dritter Stelle stehende Leggenda und die abschließende Aria, die dynamischer angelegt sind und auch durch kurzzeitige Beschleunigungen des Tempos mehr Tiefenschärfe entwickeln können. Aufgrund der kleinteiligen Anlage der Kompositionen ist aber auch hier wieder eine gute Klangregie in Geige und Klavier gefragt. Es wird ganz bestimmt das Duo die größte Aufführungswirkung erzielen können, das auf kurzen Strecken ein überzeugend breites Spektrum an Farben unterzubringen versteht.
Daniel Knödler