Johann Strauss (Sohn)
Sehnsucht
Romanze für Kornett (Trompete) und Orchester
In Zusammenarbeit mit dem „Wiener Institut für Strauss-Forschung“ wurde nun die Romanze Sehnsucht von Johann Strauß (Sohn) veröffentlicht. Das Werk für Kornett (Trompete) und Orchester erschien im Rahmen der Gesamtausgabe des Doblinger-Verlags. Dass der Walzerkönig auch Romanzen komponierte, ist kaum bekannt, veröffentlicht waren bisher nur zwei, beide für Violoncello, beide aus dem Jahr 1860.
Wie der Herausgeber Thomas Aigner in seinem ausgesprochen informativen Vorwort beschreibt, waren es die Jahre der sommerlichen Gastspiele im Umkreis von St. Petersburg (1856-1865), in denen Strauß mit dieser Musikgattung in Berührung kam. Romanzen waren in Russland sehr populär, und so ließ es sich der Komponist nicht nehmen, zunächst mehrere Romanzen russischer Kompositionskollegen für Soloinstrumente und Orchester zu bearbeiten, bevor er sich selbst an der Gattung versuchte.
Sehnsucht war sein erstes Werk mit Kornett als Soloinstrument und wurde 1861 geschrieben. Zur Aufführung kam es im Herbst desselben Jahres im Rahmen eines der jährlich stattfindenden Benefizkonzerte für das Pawlowsker Orchester. Diese Konzerte dienten vor allem dazu, die Finanzierung zu sichern und Solisten aus dem Orchester zu präsentieren. Vermutlich war ein gewisser Herr Tittel, Pistonbläser der Pawlowsker, Solist der Uraufführung.
Obwohl die Romanze in Russland immerhin siebenmal zur Aufführung kam, wurde sie in Wien nie gespielt. Geeignete Bläser wären bestimmt zu finden gewesen, und auch die musikalische Qualität von Sehnsucht steht anderen Werken des Komponisten in nichts nach. Dass sie also nicht gespielt wurde, mag wohl daran liegen, dass das Genre Romanze in der Heimatstadt des Komponisten nicht verwurzelt und daher vom Publikum nicht gewünscht war. Vielleicht wird eine Wiener Erstaufführung in den nächsten Jahren nachgeholt.
Mit etwa sechs bis sieben Minuten Dauer ist Sehnsucht in einem üblichen Konzertprogramm gut unterzubringen und auch in einem Neujahrskonzert denkbar. Die Orchesterbesetzung ist die Gängige der damaligen Zeit mit zweifachem Holz, vier Hörnern, zwei Tompeten, Posaune, Pauke und Streichern. Die Pistonstimme ist sehr gesanglich und nicht allzu schwer zu spielen.
Sehnsucht ist ein Beleg dafür, dass es durchaus lohnenswert sein kann, nach unbekannten Werken bekannter Komponisten zu suchen. Dem „Wiener Institut für Strauss-Forschung“ mit Thomas Aigner als Herausgeber ist es gelungen, den Facetten- und Melodienreichtum des Walzerkönigs durch ein weiteres Beispiel zu belegen. Sololiteratur für Trompete gibt es nicht im Überfluss, daher ist es durchaus denkbar, dass sich Musiker finden, die sich des Werks dankbar annehmen. Der Orchesterpart ist auch für Laienorchester gut spielbar, und so bleibt zu hoffen, dass diese sehr reizvolle Komposition recht häufig zur Aufführung gelangt.
Ulrich Haider