Auerbach, Lera /Teppo Hauta-Aho/György Kurtág/Olav Anton Thommessen/Giacinto Scelsi/Jakob Kullberg/Per Nørgård und andere
Secret Memories
“Schöne” neue Musik. Wieder einmal. Allzu “schöne”, wohlklingende, das Ohr der Liebhaber klassisch-romantischen Repertoires nicht mit unbekannten Klängen belastende Musik. Wieder einmal mehr oder weniger eine Enttäuschung. Eine Enttäuschung der Hoffnung, dass sich Kontrabassisten, die durchaus ausgewiesene Spezialisten ihres Faches sind, sich aber nicht primär dem zeitgenössischen Repertoire widmen (im Gegensatz also zu Bassisten wie Uli Fussenegger, dem leider kürzlich verstorbenen Stefano Scodanibbio, John Eckhard oder Joëlle Léandre), zeitgenössischen Werken widmen, die es auch wert sind, neue Musik im Kunstsinne genannt zu werden. Viele Kontrabassisten scheinen da allerdings leider noch ein wenig konservativer zu sein als andere Instrumentalisten. Wenn sie sich schon nicht mit dem sich nicht gerade auf Weltklasse-Niveau befindlichen traditionellen Kontrabass-Repertoire begnügen, sondern sich auf den Weg machen, Neues, Anderes zu entdecken, dann schrecken sie, so scheint es, doch nur allzu oft vor den Mühen des wirklichen Entdeckens und der Konfrontation mit Unbekanntem zurück. Wollen sie das warme Nest des ihnen klanglich Bekannten etwa ebenso wenig verlassen wie den gewohnten Rahmen an Spieltechniken, der musikalischen Gestaltung und des raschen Erfassens der Partitur? Dabei gibt es doch inzwischen ein fantastisches und vielfältiges Repertoire an Kontrabassliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts, das mit wichtigen Positionen der zeitgenössischen Kunstmusik mithalten kann. Kompositionen, die im Kunstsinne Kants schön zu nennen sind, deren Erarbeitung für Kontrabassisten zwar größere Hingabe und Aufwand erfordert, Zeit, Auseinandersetzung, Befragen, Sich-kundig-machen, Bilden
Um dann allerdings beschenkt zu werden, Erkenntnis zu erlangen, all das, was neue, wahrhaftige Schönheit zu offenbaren vermag.
Warum scheut dies ein Musiker, wenn er wie Dan Styffe ein Künstler und kein bloß ausführender Handwerker ist? Und wendet sich stattdessen zum Teil allzu simpler (z.B. Olaf Anton Thomessen, Teppo Hauta-Aho) und unverhohlen kitschiger (z.B. Lera Auerbach) Musik bis hin zu einem filmmusikartigen Kontrabasskonzert zu, das gerade einmal zur plakativen Untermalung eines Spielfilms tauglich wäre wie dasjenige Rolf Martinssons?
Letztlich ist dies auch schade, denn Dan Styffe ist ein guter Bassist. Seine Werkauswahl umfasst eine einheitliche Klammer. Die meisten ausgewählten Kompositionen vereinen Ruhe und eine tragende bis lyrisch fortschreitende Melodie. Gelegentliche kurze rhythmisch prägnante oder gestische Ausflüge inbegriffen. Dabei wird der Rahmen der Tonalität oder der erweiterten Tonalität kaum verlassen. Extended techniques? Keine. Schade. Auch in manch mittelmäßiger Komposition zeigt sich, dass es reizvoll wäre, Dan Styffe wesentlich interessantere Stücke spielen zu hören, z.B. solche, die sich mit differenziertester Klanglichkeit befassen. Giacinto Scelsis Mantram wirkt (wieder einmal möchte man sagen) fast wie ein Alibi in der Programmauswahl.
Nina Polaschegg