Simbriger, Heinrich

Sechs kurze Blasmusiken in alten Tonarten

für drei Trompeten und drei Posaunen op. 23 (1938), hg. von Thomas Emmerig, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Laurentius, Frankfurt am Main 2015
erschienen in: das Orchester 09/2016 , Seite 61

Heinrich Simbriger, geboren 1903 im böhmischen Aussig (heute Ústí nad Labem, Tschechien), studierte 1921 bis 1924 Komposition an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst in Prag bei Fidelio F. Finke und Dirigieren bei Alexander von Zemlinsky sowie parallel dazu an der Deutschen Universität Germanistik, Kunstgeschichte, Musikgeschichte und absolute Philosophie. In den Jahren 1927 bis 1937 kam er als in Wien lebender, freischaffender Komponist und Theorielehrer mit Zwölfton- und Kirchenmusik in Berührung und vertiefte sein Wissen unter anderem bei Josef Matthias Hauer.
Das Schaffen Simbrigers umfasst größtenteils Kammermusik für Streicher und Klavier, Solostücke für Klavier sowie einige geistliche und weltliche Werke für Chor oder Chor und Orchester. Insofern stellt die hier vorliegende Erstausgabe der Sechs kurzen Blasmusiken in alten Tonarten eine Besonderheit in seinem Schaffen dar, was Stilistik und Instrumentenwahl betrifft.
Opus 23 entstand nach seiner Rückkehr aus Wien nach Prag. Dort hatte er für kurze Zeit die Leitung der musikalischen Abteilung des im Aufbau befindlichen deutsch­sprachigen Senders Prag-Melnik inne. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1938 musste er jedoch diese Tätigkeit beenden und zog sich nach Aussig zurück, wo er als freischaffender Komponist arbeitete.
„Nr. I Dorisch“ eröffnet gemessen, feierlich und mit kurzen Fanfarenmotiven in nur 23 Takten den Zyk-
lus dieser sechs repräsentativen Stücke. Für die Modi Lydisch und Phrygisch wurden leise Cantilenen verwendet, die, teils raffiniert polyfon geführt, mit kontrastreichen Gegengewichten aus lauten Choralstellen abwechseln. Die wilde „Nr. III Mixolydisch“ sowie die vom Komponisten mit „hart und entschlossen“ betitelte „Nr. V Äolisch“ reißen die Zuhörer mit ihrer Spielzeit von kaum mehr als einer Minute Dauer mit in ihre Klangwelt, die streckenweise beinahe an den Stil Hindemiths erinnert. Der Zyklus endet mit der beinahe filmmusikreifen „Nr. VI Ionisch“ und schließt hierin mit rhythmischen und stilistischen Zitaten aus „Nr. I Dorisch“ seinen Kreis.
Die Partitur dieser Erstausgabe enthält neben einem Nachwort zu Leben und Werk Simbrigers und zur Quellenlage der Sechs kurzen Blasmusiken das Aufführungsmaterial, welches aus fünf Stimmen mit jeweils einem klingend notierten Abdruck der Partitur besteht. Der Herausgeber Thomas Emmerig und der Laurentius-Musikverlag haben aus dem Manuskript sehr benutzerfreundliches Notenmaterial erstellt: Phrasierungsbögen, Artikulationsangaben sowie Hinweise zu Tempo und Dynamik sind in allen Stimmen erfreulich übersichtlich gesetzt und ergänzen das saubere Notenbild.
Wer auf der Suche nach einem für Kirchentonarten repräsentativen Werk für Blechbläser ist, welches sowohl interessant zu musizieren als auch zu hören ist, sollte Heinrich Simbrigers Opus 23 auf jeden Fall in die engere Wahl ziehen.
Kristin Thielemann