Iganz Pleyel

Sechs kleine Duos op. 8

für zwei Violinen mit zusätzlich bezeichneten Violinstimmen von Evelyne Grüb-Trauer, hg. von Norbert Gertsch, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle
erschienen in: das Orchester 02/2020 , Seite 61

Auch wenn die Kompositionen von Ignaz Pleyel (1757-1831) in den heutigen Konzertsälen keine nennenswerte Rolle spielen, haben sich einige seiner zahlreichen Duos dauerhaft als unverwüstliche Bestandteile des frühen Geigenunterrichts etablieren können. Zu ihnen gehören vor allem die unter der Opuszahl 8 bekannten, erstmals 1806 publizierten zwei- bis dreisätzigen Werke, die für viele Geiger den ersten Berührungspunkt mit originaler Kammermusik der fraglichen Zeit gebildet haben dürften.
Da sich erste und zweite Stimme prinzipiell vollständig in der ersten Lage realisieren lassen, bieten die sechs Duos reichlich Material zum kammermusikalischen Musizieren im Stadium fortgeschrittener Anfänger. Aufgrund ihrer Anordnung in aufsteigender Schwierigkeit werden die Aufgabenstellungen der Werke dabei in Bezug auf Zusammenspiel und Intonation zunehmend herausfordernder.
Die spieltechnischen Unterschiede zwischen der einfacheren ersten und der grifftechnisch aufgrund häufiger eingesetzter Doppelgriffe meist anspruchsvolleren zweiten Violine lassen zudem – sofern der Lehrer Letztere nicht selbst übernimmt – die Verteilung auf einen noch eher unerfahrenen und einen etwas versierteren Spieler sinnvoll erscheinen.
Erfreulicherweise enthält Norbert Gertschs Neuausgabe neben den Einzelstimmen eine Partitur, die, auch wenn an einigen Stellen der Kopfsätze lediglich eine Viertelpause zum Umwenden der Seiten bleibt, durchaus als Spielpartitur verwendet werden kann – eine Möglichkeit, die ich während meiner eigenen Tätigkeit als Violinlehrer bei älteren Ausgaben schmerzlich vermisst habe. Gertsch stützt seine Edition auf die in Paris erschienene Erstausgabe der Werke, deren mit zahlreichen Fehlern und Lücken behaftete Angaben zu Artikulation und Dynamik er anhand von Parallelstellen korrigiert hat, was – wie üblich – im Notentext durch Klammern anzeigt ist.
Sämtliche editorischen Entscheidungen des Herausgebers sind der Nachvollziehbarkeit halber am Ende des Bandes aufgelistet, wobei auch die schwer entscheidbare Frage zu einem möglicherweise fehlenden Vorzeichen im ersten Duo (in anderen Ausgaben oft stillschweigend ergänzt) nicht ausgespart bleibt.
Als besonders erfreulich erweist sich die Bezeichnung der Einzelstimmen durch Evelyne Grüb-Trauer: Die Fingersätze zeigen, dass hier viel Wert auf eine sinnvolle klangliche Gestaltung der musikalischen Phrasen gelegt wurde, weshalb neben der ersten häufig auch die dritte, an einigen Passagen gar die zweite und vierte Lage einbezogen sind. Dies steht den einzelnen Stücken außerordentlich gut zu Gesicht, weil es dazu beiträgt, sie über den Status einer bloßer pädagogisch verwertbaren Literatur hinaus zu heben und darauf verweist, dass sich Pleyels Duos – ihrer technischen Einfachheit zum Trotz – durchaus auch für den Vortrag im Konzertsaal anbieten.
Stefan Drees

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support