Thomson, George / Joseph Haydn / Ludwig van Beethoven

Scottish and other songs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musicaphon M 56880
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 69

Wir schreiben das Ende des 18. Jahrhunderts. Ein die Musik liebender Herzog hat zu einem Fest in sein schottisches Landhaus geladen. Ehrengast ist der schottische Amateurgeiger und Sänger George Thomson (1757-1851) aus Edinburgh, der seit Jahren landeseigene Volkslieder sammelt. Der Hausherr stellt ihn als einen der passioniertesten unter den Musikgutsammlern der britischen Inseln vor, sein gesamtes Leben widme dieser Mann dem Volksgut, wobei er, anders als seine Kollegen, auf Anständigkeit und gehobene Moral der Texte Wert lege. An diesem Abend nun sollen Thomsons Sammelstücke im musikalischen Gewand von Haydn und Beethoven präsentiert werden. Die Gäste erheben ihre Gläser, der Geiger den Bogen, die kleine Kapelle beginnt zu spielen.
Es sind festliche Klänge, die zum ersten Tanz auffordern und den Abend einläuten. Eine Sopranistin gesellt sich zum Trio und singt von Liebenden und Verlassenen. Ihre Stimme beschreibt Naturschauspiele ebenso eindringlich wie Seelenlandschaften. Der Abend ist spät, die Gäste sind lustig. Da wagen die Musiker ein paar derbere Beethoven’sche Klänge. Ganz so zugegangen wird es nicht sein bei der Einspielung zur CD, die obiges Szenarium in mir heraufbeschwor.
Das 1992 gegründete Trio Kairos, inzwischen in kammermusikalischer Besetzung bestehend aus der Pianistin Christiane Behn, der Geigerin Solveigh Rose und der Cellistin Bettina Barbara Bertsch, hat sich beinahe kriminologisch auf die Suche nach verschiedenen Quellen der hier vorgestellten Lieder gemacht, die in Folge diversen Bearbeitungen und Textneuunterlegungen unterzogen werden mussten. Herausgekommen sind 65 Minuten kurzweiliger Musik.
George Thomson hatte zunächst Haydn einen Kompositionsauftrag für einige Stücke seiner Sammlung erteilt. Ein bereits seit längerer Zeit bestehender Briefwechsel zwischen ihm und Beethoven machten diesen nach Haydns Tod zum Fortsetzer dieser Arbeit. Was zunächst vor allem Beethovens finanzielle Situation verbessern sollte, faszinierte diesen bald mehr und mehr. Die Zusammenarbeit verlief nicht immer reibungslos: zu wenig haydnsch, zu komplex, kritisierte Thomson, mehr Honorar verlangte Beethoven. Zuletzt stellte der Komponist selbst eine Sammlung von europäischen Volksmelodien zusammen, von denen einige am Ende dieser Einspielung zu hören sind.
Gesungen werden die teilweise balladenhaften Piecen von Daniela Bechly. Die gebürtige Hamburgerin verbindet eine bereits länger bestehende und durchweg erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Trio Kairos, wovon sowohl die musikalische Gestaltung als auch die klangliche Ausgeglichenheit profitieren. Die Sopranistin findet zu jeder Stimmung den passenden Stimmklang, mutiert von der melancholischen Maid zum kecken Bauernburschen, skizziert mit inniger Ruhe und sanfter Ausgeglichenheit Naturminiaturen und verleiht Beethovens widerspenstigeren Musiken authentische Farben und bodenständige Tiefe.
Kathrin Feldmann