Joachim Andersen

Schwedische Polska-Lieder

op. 50 nach Isidor Dannström für Flöte und Klavier

Rubrik:
Verlag/Label: Zimmermann
erschienen in: das Orchester 01/2021 , Seite 67

Andersens Etüden sind nach wie vor im Unterricht unentbehrlich, seine Werke für Flöte und Klavier, ob virtuos oder mehr für den Salon bestimmt, immer musikalisch lebendig und spieltechnisch fordernd. Was sein bisher wenig oder gar nicht bekanntes Opus 50 angeht, so bietet sich ihm durch die Neuausgabe der Flötistin und ausgewiesenen Andersen-Spezialistin Kyle Dzapo jetzt die Gelegenheit, häufiger gespielt zu werden.
Die Erstausgabe der Polska-Lieder durch den seinerzeit berühmten schwedischen Sänger Isidor Dannström (1812-1897) bestand in einer Einrichtung der auf schwedisch-polnischer Volksmusik basierenden Melodien für Gesang mit einfacher Klavierbegleitung. In dieser Form inspirierte sie Andersen zu einer rein instrumentalen Suite. Während der allen Liedern mehr oder weniger eigene Mazurka-Charakter und dementsprechend ihr Dreivierteltakt erhalten blieben, nahm Andersen an Inhalt und Struktur der Lieder wesentliche Veränderungen vor, modernisierte bzw. schärfte ihre Harmonik. Dadurch ist ihm eine sehr persönliche Bearbeitung gelungen, eine Aneignung im schöpferischen Sinn.
Die Neuausgabe basiert auf der um 1896 erschienenen Ausgabe bei Hansen, neben Zimmermann Andersens Hauptverlag. Sie enthält selbstverständlich eine ausführliche Einleitung und einen kleinen Revisionsbericht. Durch den neu gesetzten Notentext entfallen einige der bei Hansen möglichen Wendestellen im Klavier, einmal muss für eine Wiederholung zurückgeblättert werden. Andersens ebenfalls 1896 bei Hansen gedrucktes op. 59, sechs Fantaisies nationales, ähnelt im Ansatz op. 50, aber weniger konzentriert, weil mehr darstellend als verarbeitend; für die schwedische Fantasie wählte Andersen noch einmal ein Thema aus Dannströms Liedern.
Die Erläuterungen der Herausgeberin zu Andersens Veränderungen und Erweiterungen geben einen guten Eindruck von seiner Vorgehensweise, wenn auch ohne Anschauungsmaterial aus der Erstausgabe. Die mitgeteilten schwedischen Textanfänge der Lieder verweisen auf Naturerlebnisse und emotionale Empfindungen wie Trauer oder Freude. Andersen geht ihnen in freien Einleitungen und Überleitungen mit improvisatorischer Anmutung nach, für die Verarbeitung der Themen wählte er tanztypische Reihungsformen. Die Tempi sind, außer in immer wieder eingefügten Kadenzen, durch Metronomangaben definiert (in Nr. 5 auf S. 28 steht bei Hansen Allegretto statt Andante). Für eine zyklische Absicht der Komposition spricht wohl auch, dass sich die Tonartenfolge von d-Moll ausgehend bis zu E-Dur erweitert und dann zu F-Dur zurückkehrt.
Andersens Polska-Lieder, wie alle seine Kompositionen gut klingend gesetzt, sind spieltechnisch nicht allzu schwierig. Allerdings bewirkt ihre rhythmisch-melodische Varianz zusammen mit der formalen Kleingliedrigkeit der Sätze einen gewissen Widerstand gegen zu glattes Durchspielen. Das muss aber nicht von Nachteil sein, fördert es doch die Auseinandersetzung mit den musikalischen Intentionen dieser „Stücke im Volkston“ wie man sie vielleicht nennen könnte.
Ursula Pešek