Werke von Arthur Vincent ­Lourié, Christoph Staude, ­Alexander Scriabin und Ivan Wyschnegradsky

Schwarze Messe

Asasello-Quartett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 11/2022 , Seite 73

Mit einer „schwarzen Messe“ ein Jubiläum zu feiern, mag für Satansjünger standesgemäß sein. Aber für ein Streichquartettensemble? Nun will man in Zeiten grassierender Verschwörungstheorien nichts mehr ausschließen. Aber schaut man auf die CD des Asasello-Quartetts, so wird schnell klar – niemand will hier den Teufel verehren. Zwar blicken die vier Mitglieder mit einigermaßen ernster Miene aus schummrigem Dunkel heraus in die Kamera. Doch eine leichte Ironie ist unverkennbar. Denn das sanft flackernde Kerzenensemble, das auf einer goldfarbenen Schale gruppiert ist, lässt eher an Kindergeburtstage und ausgediente Adventskränze denken. Und die „schwarze Messe“, die der CD den Titel gab, ist nichts anderes als die – „Messe noire“ genannte, 1913 fertiggestellte – 9. Klaviersonate von Alexander Scrjabin.
Gérard Pesson schrieb 2008 diese mystisch versponnene, ekstatisch flackernde Musik zu einer Streichquartettfassung um. Die beschert eine andere Farb- und Ausdruckswelt als die des Klaviers. Triller klingen schärfer, rauer, wispernder, chromatisch kriechende Linien erhalten eine noch verführerischere Süße. Das Quartett, bestehend aus Rostislav Kozhevnikov und Barbara Streil, Violinen, Justyna Sliwa, Viola, und Teemu Myöhänen, Cello, hat sich (in etwas anderer Besetzung) im Jahre 2000 in der Kammermusikklasse von Walter Levin (dem Gründer des LaSalle-Quartetts) in Basel formiert. Der Plan, das 20-jährige Bestehen mit Konzerten zu feiern, wurde von der Corona-Pandemie durchkreuzt. Stattdessen kreierte man die vorliegende CD. So will man dem Namensgeber des Quartetts, Reverenz erweisen. Asasello ist in Michail Bulgakows Roman Der Meister und Margarita ein rothaariger Dämon, der dem Teufel als Gehilfe dient. Von Bulgakows Roman führt eine Verbindungslinie zum 1986 entstandenen Streichquartett von Christoph Staude. 2003 spielte das damals noch junge Ensemble eines seiner ersten Konzerte. Im Programm: die Uraufführung eben jenes Streichquartetts. In Staude mit seiner Begeisterung für Bulgakow und alles Slawische fanden die Asasellos einen Seelenverwandten. Seine Musik zog die vier, wie sie im persönlich gehaltenen Booklet schreiben, durch „das Zarte und Brüchige“ in den Bann. Was in ihrer Darbietung fulminant zur Geltung kommt.
Skrjabins Messe noire bildet den konzeptionellen Mittelpunkt. Von ihr aus führen Verbindungslinien etwa zu Arthur Vincent Lourié. Dessen 1915 entstandenes Streichquartett ist eine echte Entdeckung. Der Anhänger des Futurismus erfindet sprachhaft geformte, ausdrucksstarke Melodien, aber auch reine Klangflächen, die mit maschinenhaften Abläufen liebäugeln. Schließlich Ivan Wyschnegradskys zweites Streichquartett in Vierteltonharmonik. 1930 geschrieben, ­betritt es klanglich eine neue Welt, bleibt aber in seiner Gestik der ­Tradition verhaftet. Die Aufnahmen entstanden in drei Sessions zwischen 2019 und 2021 im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks. Das Team um Tonmeister Michael Silberhorn liefert in Sachen Klang Mustergültiges.
Mathias Nofze