Jörg Handstein
Schumann – Die innere Stimme
Hörbiografie gelesen von Udo Wachtveitl, Matthias Brandt, Brigitte Hobmeier und anderen
Ein bisschen skurril ist das schon: Pünktlich zum 200. Geburtstag von Clara Schumann veröffentlicht der Bayerische Rundfunk eine umfangreiche Audiobiografie von – Robert Schumann. Das Hörbuch in zehn Kapiteln wurde zwar schon zuvor auf BR-Klassik ausgestrahlt, dennoch wirkt das Timing seltsam. Wird hier die Virtuosin und Komponistin, noch dazu in ihrem Jubiläumsjahr, nebenbei als „Frau von“ abgehandelt?
Keine Sorge: Jörg Handsteins Schumann-Biografie ist zu vielschichtig und viel zu klug, um auf alten Klischees herumzureiten. Weder wird Clara Wieck onkelhaft als pianistisches Wunderkind abgetan, noch wird Clara Schumann als unterdrückte Ehefrau bemitleidet, die ihrem manisch-genialisch komponierenden Gatten den Haushalt führen muss. Handstein nimmt sich viel Zeit und blickt tief in die Originalquellen – Briefe, Tagebücher, Rezensionen –, um das musikalische Schaffen, aber auch das hochkomplizierte Lieben und Eheleben der beiden Künstler ins Licht und ins Recht zu setzen.
Für einen Biografen, der ein Hörbuch gestalten darf, ist Robert Schumann das wohl dankbarste denkbare Objekt: Hier gibt es herrliche Musik, literarisch anspruchsvolle Schriften und persönliche Zeugnisse, die Schumanns Ringen um sein Musikideal, um die poetische Synthese von Ton und Wort, im Kunstlied etwa, anschaulich machen.
Werden Schumanns Worte dann auch noch von Matthias Brandt rezitiert, der ein Publikum wohl sogar mit einer Lesung aus dem Zwickauer Telefonbuch in seinen Bann ziehen könnte, kann nichts mehr schiefgehen. Auch Brigitte Hobmeier in der Rolle Clara Schumanns, Udo Wachtveitl als Erzähler und andere exzellente Sprecher tragen dazu bei, dass man dieser Audiobiografie gern und gespannt folgt.
Robert Schumanns Leben, mit allen Höhenflügen und dramatischen Abstürzen, wird hier glücklicherweise nicht vom schaurigen Ende her gedacht; der Grundton von Jörg Handsteins Hörbuch ist alles andere als tragisch oder ehrfurchtschwanger. Mit Vergnügen lässt er den ironiebegabten Musikjournalisten und Beobachter Schumann zu Wort kommen – der von dem ichbesessenen, endlos wortschwallenden Richard Wagner übrigens genauso wenig angetan war wie Clara Schumann.
Ein weiteres Plus dieser 4-CD-Box ist die Musikauswahl. Noch die kürzesten Beispiele aus Robert Schumanns und Clara Wiecks Werken sind guten bis sehr guten Einspielungen entnommen, etwa von Ragna Schirmer, Christian Gerhaher, Dietrich Fischer-Dieskau, Christoph Eschenbach, Isabelle Faust, der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Carlos Kleiber und dem Gewandhausorchester, geleitet von Kurt Masur. Als Bonus enthält die vierte CD eine neue Aufnahme der Symphonie Nr. 1 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Mariss Jansons.
Frauke Adrians