Franz Schubert
Schubertiade
Christina Landshamer (Sopran), Justus Zeyen (Klavier), Chor des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Howard Arman
Nein, „Hausmusik“, wie man diesen Begriff im Allgemeinen versteht, ist es nicht (mehr) so wirklich, was der Chor des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Howard Arman da auf seiner jüngsten CD bietet. Gleichwohl – muss man sofort hinzufügen – trägt sie den Titel Schubertiade mit allem Recht. Denn bei besagten Schubertiaden pflegte der Komponist, kurz gesagt, seine jeweils jüngsten Werke vorzustellen, in und mit seinem Freundeskreis. Gemeinsam musizierte man also in trauter Runde und privatem Ambiente, wobei unter anderem wohl auch diejenigen Stücke zu Gehör kamen, die wir heute als Schuberts weltliche Chormusik bezeichnen. Er selbst freilich dürfte bei ihrer Komposition eher die Besetzung der ersten, probeweisen Aufführungen in eben jenen trauten Schubertiaden-Runden im Ohr gehabt haben: eine solistische, bestenfalls kammermusikalische; auf jeden Fall eine, die eben im privaten Ambiente – vulgo: Wohnzimmer – Platz hatte.
Das kann man vom Chor des Bayerischen Rundfunk nun nicht behaupten. Zwar informiert das Booklet nicht, wie viele Sänger:innen bei der Aufnahme mitgewirkt haben, doch darf man wohl eine Zahl von gut über 40 annehmen. Doch dann die Überraschung: Was man hier hört, ist dennoch Kammermusik vom Feinsten! Dieser Chor – ob als Männerchor im Ständchen, als Frauenchor in Gott in der Natur oder als gemischter in Mirjams Siegesgesang – funktioniert als ein einziges, durchaus großes, aber doch ungemein bewegliches Instrument; nicht nur in agogischer Hinsicht, sondern auch bezüglich der Dynamik und der Klanglichkeit. Von sanft und zärtlich zu fahl und kühl, von warm und weich zu hart und entschieden bietet der Chor eine faszinierende, aber immer homogene Farbpalette.
Ja, einzelne Spitzentöne im Sopran tendieren mal zur Schärfe oder eine schnelle Figur im Tenor verschwimmt eine Spur, doch mag man kaum glauben, wie schlank, wie intonationsrein, wie fokussiert und makellos perfekt zusammen auch in Absprachen und Phrasierungen ein so großes Ensemble singen kann. Und der Vorteil seiner Besetzung ist natürlich die Rundheit und Homogenität des Gesamtklangs, die von exzellenter Probenarbeit nicht nur für diese eine Aufnahme, sondern über Jahre spricht.
Die chorinternen Soli überzeugen dabei ebenso wie die externe Sopranistin Christina Landshammer. Die Klavierpartien füllt Justus Zeyen feinsinnig und geradezu schattengleich begleitend aus. Der Érard-Flügel aus den 1870er Jahren, den er spielt, ergänzt den Chorklang aufs Beste.
Howard Arman weiß dieses große Chor-Instrument ungeheuer feinsinnig zu führen. Er nutzt die Flexibilität seiner Sänger:innen, um auch feinste Nuancen der Musik ans Licht zu bringen, sodass die intime Stimmung des Ständchens ebenso überzeugend wirkt wie der flächendeckende Triumph in Mirjams Siegesgesang.
Also, privatim hin oder her: Das ist es, was man sich unter dem Begriff Chorkultur vorstellt!
Andrea Braun