Andreas Meyer, Therese Muxeneder, Ullrich Scheideler (Hg.)
Schönberg Handbuch
Arnold Schönberg (1874–1951), der Pionier der freien Atonalität und der Zwölftonmusik, war der meistdiskutierte und wohl auch derjenige Komponist, der den größten Einfluss auf die Musik des 20. Jahrhunderts hatte. Zu seinem 150. Geburtstag erscheint nun dieses dankenswerte Handbuch, verfasst von 21 wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren. Auf 500 eng und randvoll bedruckten Seiten werden nahezu sämtliche Aspekte von Schönbergs Leben und Schaffen beleuchtet – unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse und jüngster Forschungslagen. Schon der einleitende Essay von Hermann Danuser („Arnold Schönberg – ein Charakterbild der Moderne“) gibt auf rund 20 Seiten weit mehr als nur eine Einführung ins Thema. Zahlreiche Abbildungen im Buch – Privatfotos, Kunstwerke, Notenbeispiele, Programmzettel usw. – und eine wertvolle Zeittafel (rund 30 Seiten) schenken dem Phänomen Schönberg lebendige Anschaulichkeit. Dieses Handbuch erfüllt zwei Zwecke zugleich. Es ist ein fast unerschöpfliches Nachschlagewerk, aber auch eine vielschichtige Einladung zum Schmökern – und zum Hören.
Die erste Hälfte des Buchs („Lebenswelten und Werke“) widmet sich Schönbergs sämtlichen Kompositionen im Kontext seiner Biografie. Die Darstellung gliedert sich daher chronologisch in acht Lebens- und Schaffensabschnitte. Der erste Abschnitt umfasst die frühen Jahre bis 1900, ein anderer die erste Zeit der freien Atonalität mit den berüchtigten „Schönberg-Skandalen“ (1908–1913), ein weiterer die Anfänge der Zwölftonkomposition (1921–1925), die letzten beiden Abschnitte behandeln Schönbergs Jahre in der Emigration (1933–1951). Durch die umfang- und kenntnisreichen Werkanalysen lassen sich hier noch viele interessante Kompositionen entdecken, mit denen das Publikum nicht unbedingt vertraut ist – etwa Schönbergs Bearbeitungen von Strauß-Walzern und Militärmärschen oder seine Chor-Satiren auf die komponierende Konkurrenz (1925).
Die zweite Hälfte des Buchs widmet sich „systematischen“ Aspekten (Schönbergs Poetik, Arbeitsweise, Schriften und weiteren Aktivitäten) sowie der höchst wechselvollen und kontroversen Wirkungsgeschichte seines Schaffens. Es entsteht dabei ein hochkomplexes, faszinierendes Bild dieses großen Künstlers und seiner gewaltigen musikalischen Innovationsleistung. Wer es noch nicht wusste: Schönberg war sehr auf seine Ehre bedacht, bis an die Grenzen der Paranoia. Diese Empfindlichkeit aber schärfte auch seine politische Sensibilität. Als die Nazis 1933 in Deutschland die Macht übernahmen, emigrierte er gleich in die USA. Dort betätigte er sich zunächst als zionistischer Aktivist, um Europas Juden vor der drohenden Gefahr zu retten. Noch mit 60 Jahren begann er, konsequent auf Englisch zu schreiben und zu lehren. 1941 wurde er US-Bürger. Österreicher oder Deutscher war er übrigens nie.
Hans-Jürgen Schaal