Georg Haider
Schafkopfen
Eine Hommage an ein bayerisches Kartenspiel
Der Verfasser dieser Zeilen gesteht freimütig, dass er in Ermangelung bayerischer Einflussgeber oder gar persönlicher bajuwarischer Wurzeln viel kompetenter über eine Aufnahme hätte schreiben können, die sich dem guten deutschen Skatspiel gewidmet hätte. Doch vielleicht ist es ja kein Zufall, dass diese alphorngeblasene Kartenspielmusik nur dem Schafkopfen verschrieben sein konnte. Eine Liebeserklärung an das urbayerischste aller Kartenspiele in etwa 53 solistischen Musiknummern sowie wortreichen Erläuterungen, Anekdoten und Phrasendreschereien. Wobei: Glaubt man Ulrich Haider, Hornist bei den Münchner Philharmonikern, dann ist Schafkopfen viel mehr als Kartenspiel, nämlich ein bayerisches Lebensgefühl.
Man kann sich die Entstehungsgeschichte dieser CD gut vorstellen: Da sitzen ein paar Buam abends bei Weißbier und Karten im Wirtshaus. Der Büttler Michael hat zufällig sein Alphorn dabei und schraubt es (nach dem mindestens dritten Bier) unter Anfeuerungsrufen aller anwesenden Wirtshausbesucher zu einem Stück zusammen. Ein majestätisches Kontra-C, und schon ist der ganze Raum still. Den kurzen Augenblick vor dem erwarteten Einsetzen der alpinen Lockrufe nutzt nun aber der Anzenberger Hans, um ad hoc ein paar der besten Schafkopfweisheiten kehlig zum Besten zu geben. Als da wären: Mit via Augn sigst ois, oder Wer mit da Oidn spuid, hat scho vaspuid. Als beide fertig sind, steht wiederum der Haider Schorsch auf und spricht andächtig: Do mach ma a CD davo.
Halten zu Gnaden: Gewiss war alles ganz anders. Doch die CD eigentlich sind es zwei ist fertig und wird unter Schafkopfspielern ziemlich sicher zahlreiche Liebhaber finden. Gibt man sich dem Projekt in der Gesamtspiellänge von mehr als eineinhalb Stunden hin, dann weiß man am Ende so ziemlich alles über das Schafkopfen und ist erfüllt von samtweichem, virtuos dargebotenem Alphornklang.
Michael Büttler, zugleich Posaunist, ist wirklich ein Könner seines Fachs, der vergessen lässt, wie schwer sich so ein Alphorn blasen lässt und wie leicht einem da die Töne verrutschen, die vier Meter weit weg aus dem großen Holztrichter kommen. Ab und zu gönnt er sich er ein paar launige Zitate, etwa den Rockhit Smoke on the water oder das große Trompetensolo vom Beginn von Mahlers fünfter Sinfonie.
Komponist Georg Haider, der stets ungewöhnliche Projekte verfolgt (zum Beispiel auch Todtentänze für Akkordeonorchester) hat den Alphornpart einigermaßen abwechslungsreich geschrieben, zugleich durch Wiederholungen ähnlicher Phrasen eine meditative Wirkung mit hineinkomponiert.
Fazit: Ein liebevoller, netter und gut gemachter musikalischer Spaß, den man sich voraussichtlich jedoch kaum mehr als einmal anhören wird. Das reicht aber, damit es einen gewaltig in den Fingern juckt, das Schafkopfen einmal selbst zu lernen.
Johannes Killyen