Schweitzer, Benjamin
Schärfe. Schatten
für Flöte (Piccolo), Oboe, Klarinette (in B, A und Es), Horn, Fagott und Klavier, Neufassung 2008, Partitur und Stimmen
> Es gibt nicht viel Literatur für die Besetzung Holzbläserquintett und Klavier. Schon deshalb ist Schärfe. Schatten eine interessante Ergänzung des Repertoires.
Das kurze Werk, bestehend aus zwei Sätzen, arbeitet mit Kontrasten. Der gewohnte Klang des Bläserquintetts wird bewusst aufgelöst, die Instrumente erspielen sich mit modernen Techniken neue Klangräume. Die Techniken sind zwar nicht verblüffend neu, doch erfrischend anders kombiniert und verlangen dem Musiker die Bereitschaft ab, freudig neue Wege zu gehen. Kombiniert mit konventionellem Repertoire kann es ein belebender, vielleicht etwas irritierender Farbtupfer sein, der losgelöst aber auch musikalische Reize hat.
Jeder Einzelstimme sowie der Klavierpartitur ist eine Seite mit Spielanweisungen (Erläuterungen) in Deutsch und Englisch und die englische Übersetzung weiterer Spielanweisungen des Notentexts vorangesetzt. Komponist Schweitzer, schon beachtlich dekoriert und häufig aufgeführt, meint, hier eine gewisse Beziehung zu den späten Werken Elliott Carters geschaffen zu haben. Geschärft-durchdringend und luftig-verwischt stehen sich Schweitzer zufolge die beiden Sätze gegenüber. Seis drum, sie gefallen durch kontrastreichen Umgang mit dem überschaubaren Material und weisen keine Längen auf.
Im ersten Satz (Tempo molto moderato) folgen die Einsätze der Bläser aufeinander eine fragile, aber dichter werdende Struktur in strenger Abfolge entsteht, vom Klavier mit zunehmender Zahl an Tönen gestützt und bereichert. Man muss proben, um diese Struktur sauber und zugleich leicht hinzukriegen, den Ball also anmutig weiter hüpfen zu lassen statt ihn hart anzustoßen. Die sehr genau fixierte Dynamik und manchmal etwas unbequeme Spieltechniken machen es nicht einfacher. Auch hat die Klarinette Instrumente in B, A und Es bereitzuhalten, das Horn muss teilweise den Bassschlüssel lesen. Die interessanten Klangfarbeneffekte sollten aber gut dafür entschädigen.
Der zweite Satz (Zügig) greift die Gedanken des ersten Satzes ziemlich genau auf. Diesmal darf jedoch die Piccoloflöte beginnen. Überhaupt folgt alles schneller und dichter aufeinander, wirken Strukturen schon bald griffiger und Texturen dichter. Das Klavier kommt etwas später ins Spiel als im ersten Satz.
Benjamin Schweitzer dazu: Die beiden Sätze sind zwei Varianten desselben Formgedankens einmal verwickelt, einmal stringent und ,entschlackt auskomponiert. Also auch ein bisschen intelligente Materialökonomie, ein bisschen Sich-selbst-Zitieren in einer Postmoderne, die den Gedanken des um jeden Preis immer absolut Originellen, die Jagd nach dem absurdesten neuesten Trend schon längst nicht mehr auf die Fahnen gestickt hat. Sicher kein Werk für ein Promenadenkonzert oder gerade doch?
Heike Eickhoff