Xuntian He

Scent Dance II für Viola solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2018
erschienen in: das Orchester 09/2018 , Seite 75

Xuntian He ist einer der erfolgreichsten chinesischen Komponisten unserer Zeit. Sein Album Sister Drum mit der Sängerin Dadawa wurde über eine Million Mal in China verkauft. Dadawa und Xuntian He beschäftigen sich unter anderem auch mit tibetanischer Musik. Der Komponist trat ebenso als Musiktheoretiker hervor. Dabei geht es ihm um die Suche nach einer Urmusik und einer Musik „vor“ dem Bewusstein, welche die ganze Natur umfasst.
In Europa ist Xuntian He viel zu wenig bekannt. Umso verdienstvoller ist, dass der Schott-Verlag eine ganze Reihe seiner Werke in sein Programm aufgenommen hat. Der Scent Dance II wurde 2010 für Violoncello solo komponiert. Die Fassung für Bratsche setzt die gesamte Komposition um eine Oktave höher. Dies gereicht diesem Werk keinesfalls zum Nachteil, da es nicht spezifisch für das Cello und dessen Klangfarben komponiert ist, vielmehr „abstrakter“ wirkt, etwa der Musik Bachs vergleichbar, die ebenso für andere Instrumente weitgehend ohne Verluste bearbeitet werden kann.
Was bedeutet „Scent Dance“? Das Cambridge Wörterbuch definiert das Wort als „Duft der Natur“ und als „Geruch, produziert von einem Tier, der als Signal für andere Tiere dient“. Xuntian He hat weitere solche „Scent Dances“ z.B. für Klarinette oder Streichquartett komponiert. Der Scent Dance II bezieht sich auf Xuntian Hes Gedicht Passing by the Earth, das den Untertitel trägt: „Jeder einzelne Mensch, den der erste Lichtstrahl des neuen Jahrhunderts traf, wird dieses Jahrhundert verlassen.“ Es geht hier also um Licht, aber auch um Vergänglichkeit.
Die Komposition beginnt mit einem träumerischen Cantabile aus kurzen, von Pausen getrennten Motiven; dann folgt ein aus staccato gespielten Doppelgriffen und Akkorden bestehendes „Twinkle“, also ein „Funkeln“ und „Blinken“. Später kommt noch ein „Legato, Mystical“ mit dahinhuschenden Zweiunddreißigstel-Figuren hinzu. Diese Charaktere wechseln einander ab und steigern sich schließlich zu einer Befreiung („Unconstrained“) und zu „Begeisterung“ („Excited“), die dann im Nichts einer langen Pause und einiger Pianissimoklänge entschwindet.
Dieses Solostück für Viola stellt höchste Anforderungen an Technik und musikalische Gestaltung. Doch die Versenkung in Xuntian Hes fremde musikalische Welt lohnt sich allemal. Seine Musik ist durchaus auch einem westlichen Publikum vermittelbar.
Die Ausgabe ist hinsichtlich des Notenbildes, der Strichbezeichnungen und dynamischen Angaben übersichtlich und klar. Allerdings haben sich die Layouter offenbar keine Gedanken gemacht, wie der Spieler mitten in schnellen Passagen umblättern soll – nur Auswendiglernen oder Notenkopieren sind der Ausweg.
Neue Musik hat es schwer. Man könnte ihren Weg zum Publikum etwas erleichtern, wenn man den Interpreten nicht allein mit den Noten lassen würde: Einige erklärende Hinweise zu diesem Werk sowie zum Leben und Denken des Komponisten könnten die Neugier wecken und einen ersten Zugang eröffnen!
Franzpeter Messmer

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