Scenes

Werke von Erich Wolfgang Korngold, Joseph Marx, Paul Badura-Skoda, Stefan Esser, Federico Mompou und Frederick Delius

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 89529
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 72

Manchmal meint man, ihn in seiner kompromisslosen Präsenz greifen zu können. Durchdringend, dann sogar schneidend, das ist der Klang des Cellisten Michael Schlechtriem. Die Spielweise des Pergamenschikow-Schülers ist ohne Umschweife und bleibt dabei stets reflektiert. Auch brüchige Höhen und Flageolett werden gezielt eingesetzt und haben eine treffende Wirkung. Man muss dieses klangästhetische Ideal nicht teilen, aber Schlechtriem beherrscht es meisterhaft.
Die Pianistin Noriko Kitano ist ihm dabei eine äußerst souveräne Partnerin. In einigen Stücken ist ihr Part nicht ganz gleichberechtigt, doch deshalb verdient sie nicht minder Lob. Mit bestimmtem Anschlag und einer gefühlvollen Pedalführung sorgt Kitano für klare, brillante Farben. Der Zusammenklang beider Musiker ist somit sehr stimmig. Die natürliche Klangqualität des Leipziger Labels Genuin gibt Scenes den letzten Schliff und lässt die CD zu einem akustischen Glücksgriff werden, der unter heutigen Abmischungsstandards sehr erfreulich ist.
Erfreulich ist obendrein, dass mit Scenes eine CD erschienen ist, die sich abseits von Brahms und Beethoven und populistischen Jubiläumsaufnahmen unbekannterer Musik für Klavier und Cello widmet und auch zeitgenössische Kompositionen enthält. Wer sich allerdings Progressivität erhofft, wird schnell enttäuscht. “Scenes” beginnt mit den schon zu Lebzeiten als eher konservativ geltenden Komponisten Erich Wolfgang Korngold und Joseph Marx. Schlechtriem arrangierte vier Stücke neu aus der Suite “Viel Lärmen um nichts”. Der flexible, warme Celloklang passt vortrefflich zur romantisch verfangenen Musik Korngolds, die zwar konventionell bleibt, aber durchaus über harmonische Raffinessen und eine gekonnte Polyfonie verfügt. Marx’ Pastorale vereint die Schwachseiten des Impressionismus mit blumenschmeißender Spätromantik und fällt gegen Korngold ab. Auch die Ersteinspielung der Sonate für Cello und Klavier Stefan Essers enttäuscht. Esser stellt immer noch die Frage der Tonalität und verhilft der klassischen Sonatenform nur bedingt zu neuem Leben.
Paul Badura-Skodas “Elegie” ist das einzige Stück der CD für Piano solo und ist ausgezeichnet interpretiert von Noriko Kitano. Ähnlich der Esser-Sonate bietet Elegie musikalisch kaum Neues. Schön ist aber die düster-suchende Schlusspassage, die sich schließlich in leises Dur auflöst. Leider trübt sich diese Freude, wenn man den dazugehörigen Booklet-Text des Komponisten liest, in dem Badura-Skoda sich in unangenehmen Künstler-erklärt-Werk-Belehrungen ergeht.
Der musikalische Höhepunkt von “Scenes” ist ohne Frage “El Pont” des viel zu wenig beachteten Komponisten Federico Mompou. Von der Idee geleitet, zum Primitiven zurückzukehren, nachdem die Kunst an ihre Grenzen gestoßen ist, wagt er eine sehr eigene Zeitlichkeit und eine ästhetische Reduktion, die trotzdem kaum der Brüche bedarf und fließend ist.
Die Sonate von Frederick Delius bildet einen gelungenen Abschluss der CD, auch wenn man sich unter Szenen doch eher eine momenthafte Ästhetik denn die strukturvollendete Form einer Sonate vorstellt.
Vera Salm