Martin Eybl
Sammler*innen
Musikalische Öffentlichkeit und ständische Identität, Wien 1740-1810
Die Bedeutung von Musiksammlungen für die Musikforschung, seien es solche von öffent-licher oder privater Natur, ist in der Fachwelt allgemein anerkannt. Beherbergen diese doch nicht selten Quellen, welche entweder einzeln oder aber als Puzzleteil im Zusammenwirken mit weiteren Quellen neue musikhistorische Sachverhalte erschließen. Es lohnt sich daher immer wieder, einen Blick auf Sammlungsaktivitäten in Geschichte und Gegenwart zu werfen und auf diese Weise musikgeschichtliche Zusammenhänge und Hintergründe zu erforschen.
Mit dem vorliegenden, fast 600 Seiten umfassenden Band wendet sich der österreichische Musikforscher Martin Eybl dieser Thematik zu. Wie bereits aus dem Untertitel deutlich wird, werden die Darstellungen zeitlich und geografisch eingegrenzt: Mit dem geografischen Fokus auf Wien und dem zeitlichen Augenmerk auf den Jahren 1740 bis 1810 umfasst die Abhandlung die Zeit der Wiener Klassik mit ihren Hauptvertretern Haydn, Mozart und Beethoven. Gerade vor dem Hintergrund der enormen Bedeutung dieser Epoche ist die Betrachtung von Sammlungsaktivitäten ein überaus interessanter Aspekt. So spiegelt dies letztlich die Resonanz sowohl der erwähnten Großmeister wider als auch die von weniger bekannten zeitgenössischen Komponisten. Ebenso von Bedeutung sind die gesellschaftlich-politischen Umbrüche dieser Zeit, wobei die Französische Revolution und ihre Folgen ein Schlüsselereignis in dieser Hinsicht darstellt.
Anders als der Titel des Bandes vielleicht erwarten lässt, geht der Inhalt über die bloße Darstellung einzelner Sammlungen und auch über die Thematik des Musiksammelns weit hinaus. Ausführlich dargestellt werden u. a. die Kontexte des Musiklebens. Ebenfalls dargestellt wird das soziale Gefüge im damaligen Wien infolge der enormen gesellschaftlich-politischen Umbrüche bis zum Wiener Kongress. Ebenso thematisiert werden der Handel mit Verlegern, Buchhändlern und Kopisten sowie der Leihverkehr, welcher den Sammlern ermöglichte, eigene Notenabschriften zu erstellen. Auch auf das jeweilige Umfeld – Klöster, Höfe und bürgerliche Kreise – geht der Autor Martin Eybl ausführlich ein. Die Vorstellung einzelner Sammlungen bildet in ihrer Heterogenität einen repräsentativen Querschnitt hinsichtlich der Thematik.
Besonders zu erwähnen sind die zahlreichen Farbtafeln, welche die damaligen Schauplätze, Bildzeugnisse und Dokumente exemplarisch veranschaulichen. Im Anhang wird zudem der Inhalt von ausgewählten Sammlungen aufgelistet, was die Anschaulichkeit und Darstellungstiefe zusätzlich erhöht.
Bernd Wladika