Lachenmann, Helmut
Salut für Caudwell/Les Consolations/Concertini
Clytus Gottwald hat über Helmut Lachenmanns Musik einmal geschrieben: Es bedarf keines besonderen Beweises, dass für Lachenmann die Rettung des Schönen nur per negationem möglich war, in der Umwertung dessen, was als Wert sich etabliert hatte. Lachenmann selbst beschrieb dies als eine Verweigerung von Gewohnheit, und dass er dies bitte als kostbares Angebot verstanden wissen wolle. Man weiß, wie oft das missverstanden wurde. Die komplizierte dialektische Volte, die für Lachenmanns Ästhetik prägend ist, wollten, konnten viele nicht nachvollziehen. Helmut Lachenmann jedoch ist deshalb nie auch nur um ein Jota von seiner Haltung abgerückt. Im geschützten Raum seines Personalstils kämpft er seit jeher für eine die Zeitgeschichte reflektierende Ästhetik.
Tief eingeschrieben ist dieser Kampf auch der Musik für zwei Gitarren “Salut für Caudwell” (1977), die am Beginn des vorliegenden CD-Porträts steht. Interpreten sind Wilhelm Bruck und Theodor Ross. Die beiden Gitarristen waren Auftraggeber und Uraufführungsinterpreten. Jetzt haben sie “Salut für Caudwell” noch einmal eingespielt, auf der Suche nach den rhetorischen Feinheiten, die Lachenmann hier mit unschönen Klängen generiert hat, die sonst kaum je mit diesem Instrument assoziiert werden. Derweil man dieser Scratch-Doppelfuge zuhört, die durch einen rhythmisiert gesprochenen Text aus dem Buch Illusion und Wirklichkeit des marxistischen Dichters und Schriftstellers Christopher Caudwell ebenso weiter auskomponiert wie konterkariert wird, bewundert man zunehmend das Gefühl der beiden Interpreten für das Timing in dieser formvollendeten Formlosigkeit des Stücks.
Dem gegenüber steht mit dem Zyklus “Les Consolations” für 16 Stimmen und Orchester (1967-68/1977-78) eine Komposition, die Lachenmann selbst als eine Art Symphonische Dichtung in fünf Teilen charakterisiert, welche er später in seine Oper “Das Mädchen mit den Schwefelhölzern” integrieren sollte. Die Schola Cantorum Heidelberg (Einstudierung: Walter Nussbaum) und das WDR Sinfonieorchester Köln mit Johannes Kalitzke am Pult gehen sehr sorgfältig mit der strikt organisierten Opulenz der Geräusch-Tonskala um, sorgsam das Innen und Außen der einzelnen Klänge wiegend.
Dass Lachenmann nicht ideologisch verhärtet auf dem Denkmodell seiner musique concrète instrumentale beharrt, die er in den 1960er Jahren entwickelte, davon legen die “Concertini” (2005) Zeugnis ab. Es war ja nie so, dass Lachenmann tradierte Formen als musikgeschichtliche Phänomene in seiner Arbeit ignoriert hätte, nur konfrontierte er sie hie und da mit dem Adorno-Verdikt, eine Musik habe nur dann eine Berechtigung im Zirkel der Avantgarde, wenn sie sich auf der Höhe der Zeit befände. Wenn man so will, lässt Lachenmann in den Concertini nun ein wenig Milde walten. Hier beschränkt er sich nicht mehr auf die Verfremdung des Instrumentalklangs als einzig legitimen Ausdruck der Befreiung bürgerlicher Klangideale, also des unverletzten Schönklangs. All das interpretiert das Klangforum Wien, wieder mit Johannes Kalitzke am Pult, vorbildlich.
Annette Eckerle