Werke von George Gershwin, Daniel Schnyder, Leonard ­Bernstein und anderen

Salted Caramel

Simon Höfele (Trompete), Frank Dupree (Klavier), Jakob Krupp (Kontrabass), Obi Jenne (Schlagzeug), Goldmund Quartett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 7-8/2022 , Seite 71

Vor 25 Jahren sagte ein amerikanischer Kompositionsprofessor einen bemerkenswerten Satz: „Wenn man es in eine Schublade stecken kann, dann ist es kein Jazz.“ Weise Worte! Das Ringen um Deutungshoheit ist seit jeher eher ein Kampf der Traditionalisten. Kreative befassen sich lieber mit dem Hier und Jetzt.
So ist es nur logisch, dass sich Simon Höfele – der im Bereich der klassischen Tradition schon lange jede Grenze gesprengt hat – auf neue Pfade begibt; und dabei aufzeigt, dass der Weg vielleicht gar nicht so weit ist. Man muss eben die verschiedenen Techniken beherrschen. Doch Höfele geht noch einen Schritt weiter und arbeitet auch noch die stililstischen Merkmale verschiedener Jazztrompeterlegenden heraus, was auch für gestandene Jazztrompeter nicht einfach ist.
Die vorliegende Neuerscheinung widmet sich im Wesentlichen der Musik des 20. Jahrhunderts, und zwar ganz nach Bernsteins Credo, wonach es unabhängig vom Genre nur gute und schlechte Musik gibt, ohne stilistische Scheuklappen. Frank Dupree fungiert als Pianist und Arrangeur als kongenialer Partner.
George Gershwin quasi zur tragenden Säule dieser Aufnahmen zu machen, ist insofern logisch, als Gershwins Musik von klassischer Seite her sehr zugänglich ist. Die Reise startet mit Timofei Dokschizers Adaption der berühmten Rhapsody in Blue für die Trompete. Höfele hätte sich mit seiner grandiosen Dämpfertechnik auch bei Duke Ellington bewerben können. Man merkt hier gleich, dass es bei ihm keine halben Sachen gibt – und dann folgt auch gleich der Meister aller Klassen: Miles Davis. Sein Blue in Green ist seit jeher von einer geradezu mystischen Aura umweht. Diese einzufangen, gelingt auf wunderbare Weise auch dank der hervorragenden Begleitung.
Nach einem klassischen Intermezzo mit Daniel Schnyders Trumpet Sonata wechselt Höfele zu Chet Baker, den er so manches Mal verblüffend zu imitieren vermag. Ein weiterer Gershwin – der zweite Satz seines Klavierkonzerts in F –, und schon erklingt mit Manteca kein Geringerer als Dizzy Gillespie. Im Ton schlanker, schon in Richtung Leadtrompete gehend, lässt Höfele mit einer fantastisch groovenden Band Freude aufkommen. Da ist Bernsteins Rondo for Lifey geradezu eine Abkühlung. Allerdings nur kurz, denn sofort steigt er mit Roy Hargroves Strasbourg/St. Denis in funkige Gefilde ein, bevor es mit An American in Paris als Abschluss zurück zu George Gershwin geht. Eine runde Sache!
Wie schon Wynton Marsalis zeigt Simon Höfele, dass die Welten von Klassik und Jazz gar nicht so unvereinbar sind, wie manche meinen. Der Unterschied zwischen den beiden Trompetern ist, dass Marsalis in Sachen Jazz zwar noch sehr viel weiter ging als Höfele (zumindest bisher). Doch Marsalis hat die Welten sauber voneinander getrennt. Höfele und Dupree dagegegen bringen sie zusammen und bauen stilistische Brücken. Dafür verdienen sie unser aller Dank.
Mathias Engl