Maurer, Barbara

Saitenweise

Klangphänomene auf Streichinstrumenten und ihre Notation. Eine Anleitung

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2014
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 72

Ein Jahr, nachdem sich Irvine Arditti und Robert HP Platz in einer Publikation mit der Spieltechnik der Violine (siehe das Orchester 11/2013, S. 76) befasst haben, legt Barbara Maurer, Bratschistin des ensemble
recherche, ein Nachschlagewerk vor, das sich etwas allgemeiner mit „Klangphänomenen auf Streichinstrumenten und ihrer Notation“ befasst. Von Anfang an spürt man, dass sich der Band aus den vielfältigen Erfahrungen der Autorin mit zeitgenössischen Kompositionen speist und dass hier das über Jahrzehnte hinweg Erlernte weitergegeben werden soll. Geschickt beginnt Maurer in Kapitel 0 mit einer allgemeinen Einführung in die Möglichkeit der Behandlung von Streichinstrumenten, um auch den Nichtstreicher – gedacht ist hierbei wohl vor allem an den Komponisten, der sich anhand der Darlegungen mithilfe eines Besenstils mit Größenverhältnissen und Haltungseigenarten vertraut machen kann – in die Materie einzuführen und den nachfolgenden Ausführungen den Boden zu bereiten.
Die Stärke des Bandes liegt darin, dass die Autorin von hier aus systematisch und unter Einbeziehung anschaulicher Notenbeispiele die wichtigsten Phänomene ergründet und dabei immer deren kompositorisch-klangliche Aspekte mit der Frage nach möglichst sinnvoller Notation auf der einen und praktischer Ausführung auf der anderen Seite verknüpft. So wendet sich Maurer im Kapitel „Teiltöne“ zunächst den unterschiedlichen Arten von Flageoletts und ihrer Hervorbringung auf den Instrumenten der Streicherfamilie zu, streift dann im Kapitel „Tonhöhen“ die unterschiedlichsten Arten der Tonhöhenmanipulation vom Einsatz diverser Vibratoarten bis hin zu Glissando, Differenztönen, Mikrotonalität und Skordatur, um in den Kapiteln 3 und 4 über die Verwendungsmöglichkeiten des Bogens auf Saiten und anderen Teilen des Instruments Aufschluss zu geben und sich in Kapitel 5 diversen Pizzicatotechniken zu widmen. Darüber hinaus kommen jedoch auch „Singen und andere nicht professionell erlernte Fähigkeiten“ (Kapitel 7) zur Sprache, die über die eigentliche Instrumentaltechnik hinausführen und oftmals als Element gezielter Überforderung eingesetzt werden.
Dass Maurer eine mit Bedacht argumentierende Praktikerin ist, zeigt sich nicht nur an den immer wieder eingestreuten Reflexionen zu Nutzen und Aufwand der erläuterten Techniken, sondern vor allen auch an den weiteren Kapiteln, deren Inhalte zum Teil weit vom Streichinstrumentenspiel abstrahieren und Situationen wie den Umgang mit Dauer, Rhythmus und Tempo (Kapitel 6), die generelle Einrichtung und Lesbarkeit von Partituren (Kapitel 9), die Frage nach Zweifelsfällen oder Beschädigung von Instrumenten (Kapitel 8) sowie schließlich auch den konkreten Umgang mit der Musik selbst in unterschiedlichsten Probensituationen und auf der Bühne (Kapitel 10) umkreisen. Bei alldem vermeidet die Autorin nicht nur einen dozierenden Tonfall, sondern lässt immer auch etwas von jener lustvollen Neugier durchscheinen, die für Interpreten neuer Musik essenziell ist.
Stefan Drees