Molter, Johann Melchior

Sämtliche Sinfonien

Vol. 21: Sinfonien F-Dur MWV VII 66 / D-Dur MWV 67 / D-Dur MWV VII 68, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2014
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 70

Johann Melchior Molter (1696-1765) ist heute überwiegend Klarinettisten und Trompetern bekannt durch seine Konzerte für diese Instrumente. Seine 169 (!) Sinfonien dürften dem Publikum eher unbekannt sein, dafür aber überraschende Entdeckungen abseits der gewohnten Pfade anbieten. Molters Lebensdaten verankern ihn in einer Übergangszeit, dem Spätbarock. Ein Blick in die vorliegenden Partituren macht das deutlich. Die barocke Schreibweise mit B.c. ist aufgehoben. In zwei der drei Sinfonien sind zwei Hörner (alternativ zwei Clarini) besetzt. Anhand der Jahreszahlen ist auszuschließen, dass Molter die 1750 vom Dresdner Hornisten Anton Joseph Hampel entwickelte Stopftechnik gekannt hat. Folglich sind die Stimmen in Naturhorn-Schreibweise notiert. Anders wäre die Möglichkeit, die Bläserstimmen mit Clarini zu besetzen, ausgeschlossen. Dennoch spricht einiges dafür, anhand der Stimmbehandlung das beginnende Zeitalter der Klassik vorauszuspüren, denn die tiefere Lage der Hörner, nicht mehr die barocke Clarinlage, die sich noch gelegentlich bei Haydn finden lässt, kündigt einen Wandel der klanglichen Ästhetik an. Auch emanzipiert sich die Streicherbehandlung in Richtung homofoner Satztechnik, unter Negierung barocker Kontrapunktik.
Zu Molter selbst ist in musikalischen Nachschlagewerken eher wenig zu finden. Umso lobenwerter ist festzustellen, dass sich Herausgeber und Verlag dieses Mammutprojekts angenommen haben. Wenn alle Ausgaben in 93 Bänden so sorgsam editiert sein werden wie die vorliegende mit den Sinfonien 66 bis 68, wird ihnen einen vorbildliche Arbeit gelungen sein. Ein klar gegliederter Titeleinband, ein offenbar sehr sorgfältiger Revisionsbericht, ein das Wesentliche erwähnendes Vorwort und ein gut leserlicher Notendruck wecken auf Anhieb Neugier. Die musikwissenschaftliche Notwendigkeit sei hier unbestritten.
Den musikalischen Gehalt zu bewerten ist nicht Aufgabe dieser Rezension. Man kann sich freilich vorstellen, dass bei der Menge der Sinfonien qualitative Unterschiede in den Kompositionen erkennbar sein müssen. Ihr guter Wert heutzutage liegt allerdings gerade darin: entweder als „Warmspielstück“ für professionelle Kammerorchester oder als wertvolle Repertoire-Bestandteile von Laienorchestern, die Molters Sinfonien dankbar annehmen sollten.
Somit seien einige Worte zu den Werken gesagt. Alle sind dreisätzig im Schema Allegro/Andante/Allegro angelegt, von jeweils überschaubarer Länge. Zu welchen Anlässen Molters Sinfonien komponiert wurden, ist
im Vorwort nicht erwähnt, kann man möglicherweise nur vermuten. Sie strahlen den Charme guter Gebrauchsmusik aus – lebendig, ohne größere melodische Besonderheiten. Die Entstehung dieser drei Sinfonien mag man in die Zeit von Molters zweitem Karlsruher Engagement als Hofkapellmeister datieren. Es dürfte also höfische Anlässe genug gegeben haben, bei denen seine Musik gewünscht war.
Peter Hoefs