Dietrich Becker

Sacred Concertos & Sonatas

Hanna Zumsande (Sopran), Lisa Florentine Schmalz (Sopran), Mirko Ludwig (Tenor), Knut Schoch (Tenor), Klaus Mertens (Bass), Hamburger Ratsmusik, Ltg. Simone Ecker

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 11/2023 , Seite 68

Der vor zirka 400 Jahren geborene Dietrich Becker (gestorben 1679) war ein Komponist, der heute selbst Kennern der Barockszene nicht unbedingt geläufig ist und den man früher wohl als „Kleinmeister“ bezeichnet hätte. Doch diese unsinnige Kategorisierung wird zum Glück kaum mehr gebraucht, da sich der vormals auf die „Meister“ Bach, Händel oder Telemann fokussierte Blick in den vergangenen Jahrzehnten doch merklich weitete. So findet man Beckers Musik heute immerhin in Notenverlagen publiziert und eingespielt auf CD – wenn auch noch in sehr überschaubarem Maße.
Eine neue CD mit geistlichen Konzerten und Sonaten macht erneut mit diesem vermutlich 1623 in Hamburg zur Welt gekommen Violinisten und Organisten bekannt, der seine erste Anstellung als Kirchenmusiker 1642 in Woldenhorn (heute: Ahrensberg) erhielt. Wer seine Lehrer waren, ist nicht bekannt, doch scheinen seine musikalischen Fähigkeiten ausgereicht zu haben, 1654 nach Schweden zu wechseln, wo er kurz in Diensten von Magnus Gabriel de la Gardie am Hofe Karl X. Gustavs stand. Doch als es Unstimmigkeit mit der Bezahlung gab, kehrte Becker nach Deutschland zurück und fand Anstellung in der Hofkapelle Herzog Christian Ludwigs von Braunschweig-Celle. Sechs Jahre später erwarb Becker das Bürgerrecht in Hamburg, wo er sich bemühte, Mitglied der städtischen Ratsmusik zu werden: Spätestens 1665 wurde er Anwärter, zwei Jahre später leitete er diese als „Director musices“ und ab 1674/75 darüber hinaus die Musik an Hamburgs Hauptkirchen sowie das Kantorat am Dom und für kurze Zeit auch das Collegium Musicum.
Dieser Werdegang zeigt die große Bedeutung dieses Musikers in seiner Zeit. Seine Musik belegt das ebenso, besonders seine Instrumentalwerke, die er wohl als erster deutscher Komponist in Suiten mit der bald üblichen Tanz-Folge ordnete. Doch auch seine geistlichen Werken bezeugen ein außerordentlich feines Gespür etwa für musikalische Textausdeutungen und formale Stringenz. Virtuose Eigenwilligkeiten halten sich in Grenzen, aber der musikalische Ausdruck ist stark.
Besonders das Traur-Concert auf die Trauer-Ode eines unbekannten Verfassers Es ist ein großer Gewinn (um 1678) für je vier Stimmen und Violen mit Generalbass ist sehr berührend und steht gleichrangig neben vielen wiederentdeckten Werken der Generationen zwischen Schütz und Bach oder Telemann.
Die Vokalist:innen Hanna Zumsande und Lisa Florentine Schmalz (Sopran), Mirko Ludwig und Knut Schoch (Tenor) sowie Klaus Mertens (Bass), begleitet vom Ensemble Hamburger Ratsmusik unter der Leitung der Gambistin Simone Eckert, wissen die Musik historisch informiert der Entstehungszeit gemäß erklingen zu lassen und rücken Becker so in ein verdient strahlendes Licht.
Matthias Roth