Jacobshagen, Arnold / Elisabeth Schmierer (Hg.)

Sachlexikon des Musiktheaters

Praxis, Theorie, Gattungen, Orte

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2016
erschienen in: das Orchester 03/2017 , Seite 62

Auf dem Gebiet der E-Musik ist in Deutschland das Musiktheater der Veranstaltungsbereich mit der höchs­ten Publikumsauslastung. Während man sich aber über dessen Repertoire und Künstler durch die unterschiedlichsten Lexika relativ leicht orientieren kann, fehlte bisher eine entsprechende Veröffentlichung, die sich dem dahinter stehenden Betrieb widmet. Entweder musste man sich mit beiläufigen und spärlichen Mitteilungen begnügen oder Detailinformationen aus mehreren Quellen zusammentragen. Das vorliegende Buch soll nun diese Lücke schließen, wobei die Herausgeber auf Material aus zwei früheren Bänden (Handbuch Praxis Musiktheater und Lexikon der Oper, beide bei Laaber) zurückgreifen konnten.
Wie aufwendig und vielfältig die Organisation des Musiktheaters ist, zeigt sich bereits an der stattlichen Zahl von 841 Beiträgen der über siebzig beteiligten Autoren. Darunter findet man Informationen über die Qualifikationsvoraussetzungen, Stellenbeschreibungen und Vertragssituation für die Hausangehörigen in den Leitungsfunktionen (Intendant, Dramaturg), das „sichtbare“ künstlerische Personal (Dirigenten, Sänger, Tänzer, Orchestermusiker), die speziellen Handwerker und Techniker (etwa Beleuchter, Kostüm­bildner oder Schnürmeister) und für die unverzichtbaren Mitarbeiter in den weniger spektakulären Bereichen (Fahrdienst, Kartenbüro, Verwaltung). Hinzu kommen Texte über die verschiedenen Erscheinungsformen des Musiktheaters (darunter so spezielle Ausprägungen wie die Broadway Opera, die Comédie larmoyante, die Kinderoper oder das Jukebox-Musical) und über die Haustechnik: Allein zehn Artikel werden zur Kategorisierung von Bühnenvorhängen benötigt. Sonst erfährt man noch einiges über rätselhafte Begriffe, wie die „Baumolsche Kostenkrankheit“, die zwar nicht ansteckend, institutionell aber allgegenwärtig und unheilbar ist und mit der die Unmöglichkeit einer Produktivitätssteigerung benannt wird: Der Personalbedarf für ein Werk ist nahezu immer gleich, und die Kosten können deshalb nicht beliebig gesenkt werden. „Pertichini“ sind hingegen keine Nudelsorte, sondern kurze Einwürfe von Sängern in einer Arie, und ein „Querfahrer“ ist kein Verkehrsraudi, sondern ein wichtiges Hilfsmittel bei der Verwandlung.
Der Band konzentriert sich zwar auf den aktuellen Betrieb, schließt aber historische Erläuterungen keineswegs aus. Es wäre deshalb sinnvoll, weitere theatergeschichtliche Stichworte zu ergänzen (etwa „Disziplinargesetze“, „Einlage“, oder „Spielgeld“). Je nach Bedarf können die kompakten und präzisen, oftmals bebilderten Beiträge aus wenigen Zeilen bestehen oder sich über mehrere Seiten erstrecken; knappe Literaturangaben sind angehängt. Sinnvoll ist das Personenregister, doch vermisst man dasselbe Instrument für Fachtermini: Dies böte einen Zugriff auf Informationen, die sich in größeren Texten „verstecken“.
Aber insgesamt bietet das Lexikon sowohl dem Fan des Musiktheaters als auch dem Studierenden oder dem berufserfahrenen Insider viel Wissenswertes.
Georg Günther

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