Mili Balakirew, Alexander Borodin und Nikolai Rimsky-Korsakow
Russische Troika
Neue Philharmonie Westfalen, Ltg. Rasmus Baumann
So hat man die Neue Philharmonie Westfalen (NPW) mit ihrem detailversessenen, animierenden Generalmusikdirektor Rasmus Baumann in Zeiten rigider Corona-Einschränkungen schon lange nicht mehr erleben können – in voller Besetzung und mit funkelnder Klangpracht. Und dazu mit einem russischen Programm von besonderem Reiz.
Dieses Präsent hat das Orchester sich und seinem Publikum mit einer CD-Einspielung in Eigenproduktion bereitet. Es ist eine Eigenproduktion wie sie ein Weltklasse-Klangkörper wie das London Symphony Orchestra unter dem erfolgreichen Label LSO schon seit Jahren herausbringt.
Auszüge aus zwei 2019 im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen live mitgeschnittenen Sinfoniekonzerten vereint die 80-minütige Aufnahme unter dem Titel Russische Troika. Mili Balakirews Ouvertüre über drei russische Themen und Alexander Borodins Sinfonie Nr. 2 in h-Moll spielte das Orchester am 15. Januar 2019. Nikolai Rimsky-Korsakows viersätzige sinfonische Suite Scheherazade folgte am 25. Juni 2019, als noch niemand etwas von der Covid-19-Seuche und ihren verheerenden Folgen ahnte.
Die Kunstkopf-Aufnahmetechnik des 3-D-Binaural-Stereo-Verfahrens überzeugt auf Anhieb. Als Hörer glaubt man, auf einem der besten Parkett-Plätze mitten im Saal zu sitzen. Das kommt Rasmus Baumanns stetigem Bemühen um seidige Klangtransparenz selbst in massiven Klangballungen perfekt entgegen. Ebenso überzeugend wirkt die kluge dramaturgische Zusammenstellung. Alle drei Komponisten zählen wie Modest Mussorgsky und der heute völlig vergessene César Cui zum Komponistenzirkel des „Mächtigen Häufleins“. Der Mathematiker Mili Balakirew sammelte dieses Gruppe ab 1860 um sich, um mit einem durchaus ungeschlacht anmutenden, folkloristisch geprägtem russischen Klangidiom Stellung gegen den westlich orientierten Kosmopoliten Tschaikowsky und die am Zarenhof dominierende österreichisch-deutsche, italienische und französische Musiktradition zu beziehen.
Überragend gelungen ist vor allem Rimsky-Korsakows orientalisch getönte, tief in die Welt der Märchen aus Tausendundeiner Nacht eintauchende Scheherazade mit einem jagenden Sturmmotiv, rasenden Tempi, scharfen Akzenten im Finale und einem unentwegt oszillierendem Wandel prägnanter Motive. Die Soli von Konzertmeister Jinwoo Lee und Solo-Cellist Walter Gödde, Oboistin Mayumi Yamada-Kühne, Klarinettist Régis Vincent und Fagottist Uwe Rebers bieten ebenso wie die mächtig auftrumpfenden Blechbläser Klanggenuss in Vollendung. Balakirews Ouvertüre besticht durch schwelgenden Streicherglanz. Borodins düstere Sinfonie mit ihrem perlenden Scherzo überzeugt als klingende Heldenlegende im Breitwandformat.
Bernd Aulich