Werke von Anton Arensky, Arno Babadjanyan und Dmitri Schostakowitsch

Russische Trios

Gelius Trio: Sreten Krstič (Violine), Michael Hell (Violoncello), Micael Gelius (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon
erschienen in: das Orchester 11/2018 , Seite 76

Soviel vorweg: Diese Sampler-CD enthält eine Zusammenstellung, wie sie idealer kaum sein könnte und wie sie nur selten glückt. Und das aus zwei Gründen. Erstens: Eine unsichtbare, aber umso deutlicher hörbare Klammer umfasst die drei als „russisch“ bezeichneten Trios (korrekterweise müsste das Werk Babadjanyans unter „armenisch“ firmieren); Inbrunst wohnt ihnen ebenso inne wie Schwär­merei, Feuer, Dramatik bis hin zu einer Melancholie, die (selten) knapp am Rande des Kitschigen vorbeigleitet. Mit solcherlei Attributen versehen, lassen sie sich unschwer als spätromantische Werke einstufen. Und zweitens: Das Gelius Trio mit Sreten Krstič, Violine, Michael Hell, Violoncello, und Micael Gelius am Klavier harmoniert mit einer Perfektion, einem Aufeinanderhören, einer Einfühlung, einer Homogenität, die ans Wunderbare grenzen. Es zieht den Hörer in ein musikalisches Hochspannungsfeld, dem dieser geradezu rettungslos ausgeliefert ist. Krstič ist seit 1980 Mitglied der Münchner Philharmoniker, seit 1982 als Erster Konzertmeister, und Hell wurde 1981 von den Münchner Philharmonikern als erster Solocellist verpflichtet.
Von Anton Stepanowitsch Arensky spielen die drei Musiker hier das mittlerweile schon recht populäre d-Moll-Trio Nr. 1 op. 32, das Arensky 1894 herausbrachte, einem Jahr, in dem seine Depressionserkrankung ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte (im Jahr darauf ließ er sich von all seinen Äm­tern entbinden). Obwohl das Gelius Trio auch hier insgesamt prächtig zupackend musiziert, erstaunt es doch, dass das Allegro moderato des ersten Satzes ganze drei Minuten länger dauert als die Vergleichseinspielung von Vovka Ashkenazy, Christine Jackson und Richard Stamper (Naxos).
Weniger bekannt ist das herrliche, sich (insbesondere im Allegro vivace) zahlreicher Anleihen aus der armenischen Volksmusik bedienende fis-Moll-Trio, das Arno Harutjuni Babadjanyan 1952 schrieb und das ihm zehn Jahre später den Ehrentitel „Volkskünstler der armenischen Sowjetrepublik“ einbringen sollte. Stilistisch ist dieses Werk zweifellos von Aram Chatschaturjan beeinflusst. Das Largo klingt wie eine Trauermusik, die sich nur langsam fließend in das mit ihr verbundene Allegro espressivo ergießt. Auch dieser Satz wird deutlich langsamer, nachdenklicher interpretiert, als es bei der oben genannten Vergleichsaufnahme der Fall ist.
Zum Standardrepertoire für diese Besetzung hat es mittlerweile indessen das einsätzige Trio Nr. 1 c-Moll op. 8 gebracht, das der Feder des 16-jährigen Musikstudenten Dmitri Schostakowitsch entstammt und dessen Faktur in Rückwärtsrichtung an Tschaikowsky erinnert, dessen ironische Einsprengsel aber in Vorwärtsrichtung bereits an den späten, den reifen Schostakowitsch denken lassen. Ein temperamentvolles, teilweise dramatisches Werk, das aber noch, sieht man von der Einsätzigkeit ab, in schulmäßiger Weise komponiert wurde. Die Begeisterung des Gelius Trio überträgt sich verlustlos auf den Hörer: Ja, Begeisterung pur!
Friedemann Kluge