Russian Trumpet Concertos

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm MDG 901 1770-6
erschienen in: das Orchester 04/2013 , Seite 74

Reinhold Friedrich gehört seit vielen Jahren zu den interessantesten deutschen Trompetern. Seine musikalische Offenheit, seine stilistische Bandbreite, Neugier und hohe technische wie musikalische Kompetenz lassen den Künstler, der auch als Pädagoge international gefragt ist, immer für Überraschungen gut sein. Seine jüngste Einspielung mit dem sehr aufmerksam und stilistisch anpassungsfähigen Göttinger Symphonie Orchester unter der Leitung von Christoph-Mathias Mueller befasst sich mit russischen Kompositionen für Trompete und Orchester, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden. Neben dem inzwischen populär gewordenen Trompetenkonzert von Alexander G. Arutiunian, das mit dem Trompeter Timofei Dokschizer, der es aus der Taufe hob, eng verbunden ist, hat Friedrich hier eine Reihe von wenig bis gar nicht bekannten Werken eingespielt, die nicht nur Trompetenfans interessieren könnten.
Die russische Trompetenschule wurde stark von deutschen Immigranten beeinflusst, wie z.B. von Oskar Böhme, 1870 in Potschappel in der Nähe von Dresden geboren und 1938 (möglicherweise auch später) im
stalinistischen Unterdrückungssystem umgekommen. Seine Tarantella
La Napolitaine op. 25 von 1899 wird von Friedrich, von den Göttingern ansprechend assistiert, mit der nötigen Spielfreude versehen. Ilja Schachow (1925-1986), dessen Romantisches Konzert von Friedrich und den flexiblen Göttingern hier erstmals eingespielt wurde, überlebte das stalinistische System zwar, musste aber in einem Strafbataillon Torf stechen. Das Konzert des Autodidakten, der viel Filmmusik, aber auch Kompositionen für das Moskauer Puppentheater schuf, ist farbenreich instrumentiert und gibt dem Solisten neben dem virtuosen Finale auch viel Gelegenheit zum lyrisch grundierten Spiel. Friedrich und der Dirigent arbeiten auch die melancholischen Untertöne des Werks dezent heraus. Neben der Orgel, seinem Hauptinstrument, schrieb auch Alexander Goedicke eine fordernde Konzertetüde op. 49 für Trompete, in ihrem Duktus Böhme nicht unähnlich, die Friedrichs souveräne Virtuosität Raum zur Entfaltung gibt. Ausgedehnte Kadenzen geben auch bei Sergei Vasilenkos (1872-1956) Concerto-Poem op. 113 dem Solisten Gelegenheit zur Selbstdarstellung, wobei die zuweilen leicht geschärfte Klanglichkeit der Komposition auch zu ihrem Recht kommt.
Wenn man Friedrichs Einspielung des Konzerts von Arutiunian mit der bisherigen Referenz des jungen, vor Temperament strotzenden Sergei Nakariakov auf Warner mit der zuverlässigen Jenaer Philharmonie unter der Leitung von Andrey Boreyko vergleicht, so können die Göttinger mit ihrem farbenreichen Orchesterspiel und Reinhold Friedrich eine zumindest reizvolle Alternative für das armenisch-folkloristische Einflüsse und westliche Tradition vereinende Werk bieten, auch wenn insgesamt Nakariakov etwas vorantreibender agiert. In puncto Virtuosität macht Friedrich ebenso wenig Abstriche bei dem 15-minütigen Konzert wie der damals
23-jährige Nakariakov, aber der deutsche Startrompeter und die Göttinger Symphoniker unter Christoph-Mathias Mueller loten zumindest gelegentlich die lyrischen Momente der Musik farblich intensiver aus.
Walter Schneckenburger