Svendsen, Troels / Mogens Andresen

Royal Danish Orchestra

The World's Oldest Orchestral Institution

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: The Royal Danish Orchestra's Association and authors, Kopenhagen 2014
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 68

Unglaublich, aber wahr: Die Königliche Kapelle des Staates Dänemark ist das älteste Orchester der Welt. Wenn man mit dem Trompeterkorps zu zählen beginnt, das Christian I. im Jahr 1448 aufstellte. Dagegen ist „Det Kongelige Kapels Forening“ gerade mal 102 Jahre alt. Während der Zentenarfeier beschloss die Vereinigung 2013, die 565-jährige Geschichte des Orchesters in Wort und Bild zu dokumentieren. Das Resultat könnte prächtiger nicht sein. Von einem Dutzend Stiftungen und dem Königlichen Theater (um dessen „Hausorchester“ es sich handelt) nobel unterstützt, kam der Band in einer dänischen und einer englischen Ausgabe heraus. Verfasser sind zwei ehemalige Orchestermitglieder: der Geiger Troels Svendsen und der Posaunist Mogens Andresen. In 76 kurzweiligen, in sich geschlossenen Erzählstücken, in beliebiger Reihenfolge lesbar, blättern sie die spannende Geschichte der königlichen, seit 1849 staatlichen Kapelle auf.
Der solide Buchdeckel, bedruckt mit den „Tympanistæ et Tubicines“ Seiner Majestät – dem Kupferstich-Emblem der Kgl. Kapelle – und einem Foto des gegenwärtigen Orchesters, lässt die historische Spannweite des Themas erahnen. Pauken und Trompeten waren ein Klangsymbol der Macht. In Kriegszeiten zog das prunkvoll gewandete Trompeterkorps mit ins Feld, um das eigene Heer anzuspornen und den Feind das Fürchten zu lehren.
Zu den kostbarsten Bilddokumenten dänischer Musikgeschichte zählt die „Decke der Musiker“ auf Schloss Rosenborg (1617). Das raumillusionäre Deckengemälde zeigt – über vier Balkonseiten verteilt – Kapellmitglieder zur Zeit Christians IV. mit Geigen, Bassgeige, Lauten, Gambe, Posaunen, Kornett und Dulzian, zudem zwei Sänger und den rotgewandeten Kapellmeister. Der kunstliebende Monarch zog berühmte Musiker an seinen Hof, darunter den englischen Lautenisten John Dowland und Heinrich Schütz. Als „Leihgabe“ des Dresdener Hofes hatte er die Festmusik für die Hochzeit des dänischen Thronerben mit Magdalena Sibylla von Sachsen zu besorgen.
Doch weiß die Chronik auch von bösen Ereignissen, darunter ein Eifersuchtsmord, den ein Hofmusiker mit seiner Enthauptung auf Schloss Kronborg büßte, und verheerende Brände, die 1689 das Opernhaus im
Barockschloss Sophie Amalienborg und 1794 das Musikarchiv auf Schloss Christiansborg in Schutt und Asche legten.
Natürlich fehlen zugewanderte Hofkapellmeister wie Johann Abraham Peter Schulz aus Lüneburg, der den Witwenfond des Orchesters einrichtete, und Friedrich Ludwig Æmilius Kunzen aus Lübeck, der 1789 mit der Oper Holger Danske die sogenannte Holger-Fehde auslöste, ebenso wenig in der Ehrengalerie wie der ehemalige „Orchesterlehrling“ Niels W. Gade und der langjährige zweite Geiger Carl Nielsen: „die beiden weltbekannten Komponisten der Königlichen Kapelle“, wie der Jubiläumsband stolz vermerkt. Und wer hätte gedacht, dass Mozarts Witwe 1811 einer Don Giovanni-Aufführung des Königlichen Theaters höchstes Lob spendete.
Übrigens führen alle Orchestermitglieder einschließlich der Kapellmeister eine „Zugangsnummer“. Die Flötistin Brit Halvorsen erhielt 2013 die Nummer 1062.
Lutz Lesle