Bach, Johann Sebastian / Giovanni Gabrieli / Arcangelo Corelli u.a.

Rostock’s FUNfare

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Castigo 2472
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 83

Oboenfanfaren vom Leuchtturm einer Hafeneinfahrt – das gibt es nur in Mecklenburg. Zumindest auf dem kinderbuchlustigen Cover einer Oboissimo-CD aus Rostock. Ist die dortige Hochschule für Musik und Theater, in Kainähe gelegen, doch ein Hort der Doppelrohrblatt-Instrumente. Und Heimstatt einer von Gregor Witt geleiteten „Oboeband“, die sich ungeniert über Genregrenzen hinwegschwingt. Hauptsache, es klingt und macht Spaß.
Wobei Oboen im Dutzend keine Rostocker Erfindung sind. Ludwig XIV. sonnte sich nicht nur im Glanz seiner „Vingt-quatre Violons“, die zu Balletten und Festlichkeiten aufspielten, und der „Petits Violons“, die seiner Privatunterhaltung dienten. Bei höfischen Darbietungen besorgten „Douze Grands Hautbois“ die „Haute musique“ (laute Musik). Für diplomatische Zeremonien, Prozessionen und Jagdgesellschaften hielten sich Trompeter, Hornisten, Oboisten, Trommler und Pfeifer bereit. Eine musikalische Prachtentfaltung, die andere europäische Höfe mit Neid erfüllte und zur Nachahmung animierte. Der aus Italien zugewanderte Jean-Baptiste Lully avancierte zum „Compositeur de la musique instrumentale du Roi“. Auch François Couperin (Cembalo), Marain Marais (Violen) und Germain Pinel (Laute) brillierten bei Hofe. Ein Gutteil ihrer Musik hat sich bis zum heutigen Tage erhalten. Vielleicht ist in Versailles noch einiges für die Rostocker zu holen. Fürs erste bedienten sie sich in Venedig, Rom und Thüringen. Und bei flotten Zeitgenossen in Sydney und Wien.
Obwohl man zu Giovanni Gabrielis Zeiten die Oboe in der Lagunenstadt noch gar nicht kannte, klingen die vierstimmige Canzona, ja sogar die achtstimmige Motette O magnum mysterium im Arrangement von Matthias Pflaum so authentisch, als seien sie für die Schalmei-Bomhart-Familie geschaffen. Das Concerto grosso op. 6,3 von Arcangelo Corelli, auf Oboenensemble übertragen, ist da schon gewöhnungsbedürftiger. Vor allem aber das erste von Bachs Brandenburgischen Konzerten. Für sein seltener gespieltes F-Dur-Konzert sah er zwei Hörner, drei Oboen, Fagott, Quartgeige, Streicher und Basso continuo vor. Der konzertierenden Violine piccolo obliegt der eigentliche Solopart (im 2. Satz gemeinsam mit der 1. Oboe). Die anderen Instrumente vereinen sich bald zum Tutti, bald teilen sie sich in drei wetteifernde Gruppen: Blechbläser – Holzbläser – Streicher. Diese Klangfarben-Tektonik verblasst in der Bearbeitung für Doppelrohrblattinstrumente. Trotzdem bleibt wahr: Der alte Bach ist nicht kaputt zu kriegen, solange geborene Musici am Werk sind. Sein langer Atem, seine fortspinnende Kontrapunktik, seine tanzende Rhythmik durchpulsen alle Bläserstimmen.
Ganz neue Fährten öffnen die beiden Schlussnummern des Repertoires. Der Australier Graham Powning, ein Meister unterhaltsamer, doch keineswegs seichter Reed Music, huldigt in den drei Sätzen seines Quartet for Four Cor Anglais (1981) der gediegenen Farbigkeit, der Galanterie und sanften Melancholie des Englischhorns. Der gewitzte Wiener Jazz-Arrangeur Augustin Lehfuss beglückte die Rostocker Crew mit Blues, Ballade, Spaßfanfare und anderen Jazzy Ideas for 9 Double Reeds.
Lutz Lesle