Paolo Fabbri
Rossini
Künstler, Mensch und Mythos
Es ist offenbar eine kleine Biografie, kein Roman. Das ist gut und richtig, aber auch ein bisschen schade, da doch der Untertitel so vielversprechend nach Roman klingt: „Künstler, Mensch und Mythos“. Dem Mythos Rossini spürt der Autor Paolo Fabbri nach. Ziemlich sachlich, denkt man zunächst, wenn man den wenig schönen Anfang liest, bis man mehr und mehr geradezu gerührt ist von der Liebe, mit der der Autor über Rossini schreibt, mit der er ihn als den „kleinen Gioachino“ oder als „Phänomen Rossini“ bezeichnet; bis man gerührt ist von diesem „immer alles positiv Sehen“, mit dem beispielsweise Rossinis Plagiatkunst hervorgehoben wird. Also doch ein bisschen Roman. Auch die (chronologisch dem Lebenslauf folgenden) Kapitelüberschriften sind passioniert, zumindest biografieuntypisch: „Der Komponist entdeckt sich“, „Ein Star ist geboren“, „Der Übervater im Ruhestand“, „Die Eroberung des Südens“.
Paolo Fabbri war ehemals Professor an der Universität Ferrara und Vize-Direktor der Fondazione Rossini in Pesaro und ist heute Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Rossini-Gesellschaft, die dieses Büchlein herausgegeben hat. Fabbri schildert hier gebündelt Rossinis Kinderzeit, seine Familie, seine „genialen“ Opern und sein Wirken in verschiedenen Städten.
Ein echter Anhänger spricht hier. Aussagen von Zeitgenossen zeugen von der bereits zu Rossinis Lebzeiten bestehenden Fangemeinde und seinen außerordentlich großen Erfolgen – Applaus, Orden, Bankette, Hommagen. Neben netten Lebensgeschichten machen diverse Zitate und Quellenangaben die Darstellungen glaubwürdig, aber ein wenig anstrengend.
Fabbri beschreibt sehr viele Operndetails – mitunter ein wenig auf Kosten biografischer Angaben –, die viel Fachwissen und Könnertum verraten, beim Leser allerdings auch solches voraussetzen, um verstehen und genießen zu können. Eine konkrete Bündelung dessen, was insbesondere den „Mythos Rossini“ ausmacht, wäre interessant.
Auf den letzten Seiten (erst) liest man im Kontext von Rossinis Tod fast betroffen über seine „buchstäbliche Verwandlung in ein Monument“. Man kann schnell nachblättern in diesem Buch, wenn man etwas über ein bestimmtes Werk und die jeweilige Lebenssituation des Komponisten, über gesellschaftliche und geografische Umstände erfahren möchte.
Mehr Bilddarstellungen wären schön – es gibt ein paar Lithografien und Stahlstiche. In sprachlicher Hinsicht lässt das Bändchen ein wenig zu wünschen übrig in seinem teilweise recht umgangssprachlichen Tonfall („nach einigem Hin und Her“, „gerade mal“) oder stilistisch unsauberen Formulierungen („an einem gewissen Punkt“). Gelungen und hilfreich sind das Personen- und Werkregister wie auch das Quellenverzeichnis.
Ein bisschen Leben, ein bisschen Opernführer, ein bisschen Lexikon. Und am Ende hat man womöglich eine roman(t)ische Biografie gelesen.
Carola Keßler