Erich Wolfgang Korngold/ Leo Fall

Rosen aus Florida

Musikalische Komödie Leipzig, Ltg. Stefan Klingele

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Rondeau 618889
erschienen in: das Orchester 10/2020 , Seite 72

Bereits zum zweiten Mal gelingt der Musikalischen Komödie Leipzig ein grandioser Wurf durch den Operettenworkshop des Diri- gen tenforums des Deutschen Musik- rats. Dessen Teilnehmer widmeten sich 2019 wie schon im Vorjahr einer Operetten-Bearbeitung von Erich Wolfgang Korngold, bei deren späteren CD-Einspielung auch hier Chefdirigent Stefan Klingele die Leitung übernahm. “Rosen aus Florida” klingt sogar noch eine Nuance brillanter und idiomatischer als “Lied der Liebe”, auch dank der technisch vorzüglichen Abmischung: Lilli Wünscher wird zur entadelten russischen Fürstin (Ende der 1920er Jahre hochaktuell), die sich als Servicekraft beim amerikanischen Mul- timillionär verdingt. Adam Sanchez ist deren über Irinas Identität ahnungsloser Arbeitgeber Goliath Armstrong und bricht einmal mehr das Herz einer stolzen Frau. Es liegt nur am Textbuch, dass Désirée Brodka als heiratswillige Dorrit Farring in dieser Kür aus dem Rennen ist. Auch Andreas Rainer, Milko Mi – lev, Michael Raschle, Anne-Kathrin Fischer und Justus Seeger zerstreuen in diesen 110 Minuten mühelos alle Vorbehalte gegen die hier besonders klangschönen leichte Muse.
„Liebe auf den ersten Trick“! Im ersten Akt verspricht man nicht zu viel. Musikalische Flirts, Glamour und kräftige Rhythmen machen die trockenen Handlungsansagen von Cusch Jung fast unnötig. Dabei sind die Anforderungen in ihrer Mixtur aus hybrider Fülle und Raffinesse alles andere als einfach. Korngold sollte das hinterlassene Material zum letzten Projekt des 1925 in Wien verstorbenen Leo Fall mit Zustimmung von dessen Witwe Bertha zu einer spielbaren Fassung ergänzen. Das gelang ihm etwas zeitversetzt. Der Uraufführung am 22. Februar 1929 im Theater an der Wien folgten dort 243 Vorstellungen und Aufführungen an insgesamt 51 deutschsprachigen Bühnen. Korngold, der nach der Uraufführung seiner Oper “Das Wunder der Heliane” (Hamburg 1927) über eine künstlerische Neuorientierung nachdachte, begann die Zusammenarbeit mit dem Operetten-Intendanten Hubert Marischka und befreite sich so auch von dem ästhetischen Druck, den sein Vater Julius Korngold auf ihn ausübte, weil dieser als Kritiker Operette für eine minderwertige Kunstform hielt.
In “Rosen aus Florida” (Textbuch: Alfred Maria Willner und Heinz Reichert) steckt weitaus mehr von Korngold, der sich des Beistands von Emmerich Kálmans Arrangeur Franz Kopriva versicherte, als von Fall. Dabei verrät die meisterhafte Instrumentation mit zwei Saxofonen, Celesta, Banjo, Klavier und umfang- reichem Schlagwerk mindestens so großes Geschick wie die Leistungen Lehárs oder Künnekes. Anders als in Korngolds erotisch aufgeladenen Opern wird die Begegnung zwischen Irina Naryschkin und Goliath Armstrong, der Ikone des „American Way of Life“, zum Himmel auf Erden. Stefan Klingele und das Orches- ter entwerfen ein Sound-Environment vom Allerfeinsten. Schmelz und Attacke sitzen – Genuss total für Hörer und Mitwirkende. Diese Entdeckung ist deshalb ein besonders aparter Beitrag zum in letzter Zeit auf Tonträgern erfreulich anwachsenden Operetten-Angebot.

Roland Dippel