Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Max Bruch

Romantic Violin Concertos

Mikhail Pochekin (Violine), Württembergische Philharmonie Reutlingen, Ltg. Sebastian Tewinkel

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Hänssler Classic
erschienen in: das Orchester 11/2022 , Seite 67

Ich wiederhole mich und andere Rezensent:innen, wenn ich hervorhebe, dass Max Bruchs zweites Violinkonzert zu selten aufgenommen und aufgeführt wird. Ich betone es dennoch, weil dieses Werk eben eine in seinem Spektrum von Trauermarsch bis hin zu Anklängen der Vokalmusik sehr vielfältige Seite des romantischen Repertoires zeigt und weil es seine Interpret:innen in Bezug auf Klangfarben, Ausdruckskraft und Virtuosität herausfordert.
Pochekin nimmt die Herausforderung an, begibt sich in die Fußstapfen Sarasates, dem Bruch dieses Werk gewidmet hat – und überzeugt. Er bewegt durchgehend und bleibt trotz aller Inbrunst elegant und feingeistig. Und er lässt den Hörer doch wieder einmal begeistert feststellen, welch wunderbares Instrument die Geige sein kann und wie gut sich die russische Schule auf dieses Instrument versteht (Pochekin wurde unter anderem von Ana Chumachenco und Viktor Tretiakov ausgebildet; ein wenig David Oistrach ist eben immer dabei). Dass interpretatorisch keine besonderen „Neuigkeiten“ zu verzeichnen sind, dass möglicherweise nicht jeder Hörer diese Art, Akkorde zu zelebrieren, schätzt, ist dabei absolut sekundär, da alles so musikalisch-geigerisch gespielt wird. So satt, leidenschaftlich und mutig Pochekin in den ersten Satz startet – interessant rauchig in der Tongebung –, so zart und einfühlsam lässt er den zweiten enden. Der letzte Satz erscheint zunächst fast gemächlich, entwickelt sich dann aber zu einem wahren Feuerwerk, dabei stets erfreulich klangschön.
Auch für das typisch Mendelssohn’sche Miteinander von Frohsinn und Leichtigkeit, Ernsthaftigkeit und Wehmut beweist Pochekin ein gutes Gespür. Leichtfingrig gleitet und geleitet er durch dessen rund 30 Jahre früher entstandenes e-Moll-Konzert – lebendiges, flüssiges Tempo, drängend, ohne gehetzt zu wirken, agogisch gelungene Übergänge. Auch das Seitenthema in Moll brodelt; eine wunderbar dramatische, bewegte Gestaltung. Keck und munter kommt der Schlusssatz daher. Und wie schön ist das (insgesamt fast ein wenig zu reichlich eingesetzte) Glissando zum hohen e am Ende dieses dritten Satzes – so strahlend-triumphal hat es vielleicht seinerzeit nur Ulf Hoelscher gegeigt.
Die Württembergische Philharmonie Reutlingen, 1945 gegründet, ausgezeichnet als „Innovatives Orchester 2019“, begleitet und gestaltet einfühlsam und fast kammermusikalisch unter ihrem Dirigenten Sebastian Tewinkel, Generalmusikdirektor der Neubrandenburger Philharmonie und seit 2019 auch Künstlerischer Leiter des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau. Die Themengestaltung könnte mitunter selbstbewusster sein, jedoch sind Miteinander und Aufeinanderhören durchweg glaubwürdig.
Ein bisschen Platz wäre auf der 52-minütigen CD noch gewesen … Beim nächsten Mal darf’s gerne eine Beethoven-Romanze sein.
Carola Keßler