Werke von Julius Klengel, Richard Strauss, Robert Schumann und anderen

Romantic Cello Concertos

Raphaela Gromes (Violoncello), Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg. Nicholas Carter

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 74

Er galt als „Cellistenmacher“ von europäischem Rang: Neben sei­ner Tätigkeit im Gewandhausor­chester prägte und formte der Leip­ziger Julius Klengel als Professor am Konservatorium seiner Heimat­stadt Generationen nachmals be­rühmter Cellisten. Für sie schrieb er sein berühmtestes Schmankerl, den Hymnus für 12 Celli.
Dass er auch größere Komposi­tionsformen fantasievoll beherrsch­te, beweist sein hier erstmals einge­spieltes 3. Cellokonzert: Originelle Haupt- und Nebenthemen prägen die drei fließend ineinander überge­henden Sätze, und in punkto Instrumentation macht Klengel „alles richtig“, um seinem Instrument Freiräume zur Entfaltung höchster Virtuosität und zugleich edelster Gesanglichkeit zu schaffen. Kaum überraschend, dass die Premiere 1892 von „äußerst stürmischem [Beifall], dem mehrere Hurrarufe folgten“ bedacht wurde, so damals der Leipziger Anzeiger. Umso über­raschender, dass das attraktive Werk bis zu seiner Wiedererweckung durch Raphaela Gromes in Dorn­röschenschlaf fallen konnte. Schließlich findet man hier alles, was Cel­listenherzen und -hände begehren!
Doch nicht nur die Klengel-Re­naissance macht die CD zum Ereig­nis: Wir hören außerdem eine wun­derbar kammermusikalisch ausge­hörte Version des Schumann-Kon­zerts, in der Gromes nebst phäno­menaler Technik – die wir im bis­weilen höllisch schwierigen Klen­gel’schen Cellopart bereits bewun­dern dürfen – ihr Gespür für den wahrhaft romantischen Ton in be­eindruckender Weise vernehmen lässt. Kantabilität, Artikulation, Phrasierung, Stilempfinden: Es stimmt einfach rundum! Das Spiel dieser wahren Cellokünstlerin ist nie in Gefahr, unter Bogen- oder Vibrato-Überdruck zu geraten. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und der junge australische Dirigent Nicholas Carter erweisen sich als ideale Partner und tragen ihre Solis­tin buchstäblich auf Händen.
Das fein abgestimmte übrige Programm dieser Produktion zeigt zudem, dass hier nicht etwa „Vor­wände“ und Flitterkram als Kulisse für das Schumann-Konzert bemüht wurden: Die herrliche Romanze des 19-Jährigen, teils noch auf Schu­mann’schen Spuren wandelnden und im nächsten Moment manche Eulenspiegelei verratenden Richard Strauss erweist sich ebenso als stim­mige Ergänzung wie die drei Zuga­ben, die Gromes gemeinsam mit ih­rem Klavierpartner Julian Riem ein­gespielt hat: eine Adaption des Lie­des „Widmung“ aus Schumanns Myrthen, den ohnehin nur mit Cel­lo und Klavier besetzten Mittelsatz aus Clara Schumanns Klavierkon­zert und eine von Alfredo Piatti raffiniert gesetzte Bearbeitung des 5. Ungarischen Tanzes von Brahms.
Übrigens: Dass das Booklet gut geschriebene Werkeinführungen, aber keine Angaben zu den Interpreten enthält, unterstreicht zwar deren Zurücktreten hinter der Mu­sik, mutet aber angesichts der Hochkarätigkeit des Dargebotenen fast übertrieben bescheiden an. Darf ein Rezensent „einfach mal schwärmen“? Sofern der Rezensionsgegenstand es nahelegt, sollte er es dürfen: Diese CD ist „einfach“ wunderbar!
Gerhard Anders