Liszt, Franz

Romance oubliée

für Viola und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: International Music Company, New York 2004
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 82

Originalkompositionen für Viola und Klavier sind im 19. Jahrhundert nicht gerade zahlreich. Liszts Romance oubliée zählt zu den wenigen Meisterwerken der Romantik für Viola und ist sicherlich überhaupt eine der schönsten Duokompositionen dieser Zeit. Liszt widmete sie einem der ersten bedeutenden Violaspielern: „Herrn Prof. Hermann Ritter, Erfinder der Viola alta zugeeignet“. Damit deutete er an, dass ihm das volle und in der Tiefe kräftige Timbre der großen Bratsche, wie sie Hermann Ritter entwickelt hatte, vorschwebte. Ob er dabei auch an die fünfsaitige Viola, wie sie von Ritter erfunden wurde, dachte, ist allerdings fraglich, denn die höchsten Töne der Romance kann man in der dritten Lage auf der a-Seite erreichen.
Der Herausgeber dieser Ausgabe, Milton Katims, war einer der bedeutenden Bratschisten des 20. Jahrhunderts. Er spielte unter Toscanini im NBC Symphony Orchestra und trug als Solist und Kammermusiker wesentlich dazu bei, dass sich die Viola als Solisteninstrument durchsetzte und nicht mehr nur – wie in zahlreichen Musikerwitzen – belächelt wurde.
Katims’ Angaben über die Dynamik zeugen von seiner großen Erfahrung als Interpet. So lässt er die Bratsche im mezzopiano beginnen, anstelle des mezzoforte in der Ausgabe von Fritz Schmidtner, um eine größere Steigerung zum ersten Höhepunkt zu erreichen. Er lässt dann die Bratsche forte spielen, das Klavier aber piano, wohlwissend, dass so am besten eine Balance zwischen den beiden ungleichen Instrumenten erzielt werden kann. Katims gibt genaue Fingersätze an, die zumeist sehr gute Lösungen darstellen. Interessant sind auch seine Angaben zur Artikulation, die er durch kleine Betonungszeichen verdeutlicht. Hier kann studiert werden, wie er die großen Spannungsbögen detailliert unterteilt und durch Impulse intensiviert.
Im Druckbild überrascht zunächst die Platz sparende Anordnung des Klavierparts als offensichtlicher Nachteil. Die Noten sind hier sehr eng und klein gesetzt, was ein Vomblattspiel erschwert. Allerdings hat diese Anordnung auch ihre Vorteile: Der Klavierspieler muss weniger oft die Seite wechseln, nämlich nur einmal und dies während einer Pause. Auch hat er so den besseren Überblick über den Verlauf des Ganzen. Leider gilt ein genereller Einwand gegen die Ausgaben der International Music Company auch hier: Das Fehlen aller Angaben zum Originaltext und einer Dokumentation dessen, was vom Herausgeber und was vom Komponisten stammt, erschwert ein ernsthaftes Arbeiten mit diesen Noten. Eigentlich gehören Ausgaben dieser Art nicht mehr in unsere Zeit, da sie dem Musiker einen eigenständigen Ansatz zur Interpretation eines Werkes erschweren.
Dennoch ist diese Ausgabe empfehlenswert für Unterricht und Konzert, da sie einen Einblick in die Werkstatt eines bedeutenden Interpreten gibt.
Franzpeter Messmer