Naji Hakim

Romance in F

für Horn und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 03/2020 , Seite 64

Zeitgenössische Musik kann melodiös sein und trotzdem Musik unserer Zeit. Der in Beirut geborene Komponist Naji Hakim stellt das in seiner Romance für Horn und Klavier sehr wirkungsvoll unter Beweis.
Liest man die in der Notenausgabe enthaltene Vita, lernt man einen Menschen kennen, dessen Leben im Dienst der katholischen Kirche steht. Nicht nur an der berühmten Kathedrale Sacré-Cœur war er als Organist tätig, sondern auch als Nachfolger Olivier Messiaens an der Trinité. Inzwischen ist er Professor für Harmonielehre am Conservatoire National de Région de Boulogne-Billancourt und als Gastprofessor an der Royal Academy of Music in London tätig. Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. verlieh ihm im Jahr 2007 die Auszeichnung „Pro Ecclesia et Pontifice“.
Eindrucksvoll ist dieser Lebenslauf und interessant zugleich, weil man spürt, dass man es mit einem weltoffenen und sehr tiefsinnigen Menschen zu tun hat. Hakim beschreibt seine Musik als von kulturellen, religiösen und ethnischen Quellen geprägt – kein Wunder, wenn man in Beirut aufgewachsen ist. Gerade in der heutigen Zeit wünscht man sich, dass mehr Menschen das Potenzial hätten, solche Quellen wahrzunehmen und politische und weltanschauliche Diskussionen in den Mittelpunkt zu stellen anstelle der Angst davor.
Musikalisch lässt sich Hakim laut eigener Aussage von vielen Einflüssen inspirieren. Gregorianischen Gesang und lutherischen Choral nennt er ebenso wie maronitischen Gesang, Volkslieder, dänische Hymnen und – für einen Katholiken selbstverständlich – die Heilige Schrift.
Natürlicherweise hat er viel für die Orgel und den kirchlichen Raum geschrieben. Seine Romance ist eine Komposition für den Konzertsaal. Gewidmet ist das etwa drei Minuten dauernde Stück dem rumänischen Hornisten Mihaita-Gabriel Raileanu, Solohornist des Lebanese Philharmonic Orchestra. Sowohl der Horn- als auch der Klavierpart sind technisch nicht allzu schwer und somit gut in jedes Konzertprogramm einzubauen und auch für weniger versierte Hornisten spielbar. Das Instrument wird sehr gesanglich eingesetzt, was schon aufgrund des sehr langsamen Grundtempos schlüssig wirkt. Angelehnt ist die Romance an die Sinfonia Nr. 9 in F-Dur BWV 795 von Johann Sebastian Bach.
Grundsätzlich ist zu hoffen, dass das Stück in das allgemeine Repertoire der Hornwelt aufgenommen wird. Musikalisch lohnt es durch seine Tiefgründigkeit und sein Verständnis für den Umgang mit dem Horn. Im Gegensatz zu so vielen anderen zeitgenössischen Komponisten gebraucht Hakim keine Effekte, sondern nutzt das Horn mit seinem natürlichen Klangreichtum. Es ist wichtig, dass auch solche Stücke geschrieben werden, damit Neue Musik auch für Hornisten spielbar ist, die das Instrument nicht studieren oder beruflich nutzen. Nichtsdestotrotz ist die Romance auch für den Profibereich eine große Bereicherung.
Ein schönes Zitat des Komponisten steht zu Beginn der Vita: „Musik ist das Wort des Unaussprechlichen.“ Wie recht hat Hakim, und wie viel Unaussprechliches hat er mit seiner Musik zu sagen.
Ulrich Haider