Camille Saint-Saëns
Romance Des-Dur op. 37
für Flöte und Klavier, hg. von Peter Jost
Von Saint-Saëns’ Romanzen für verschiedene Soloinstrumente (op. 27, 36, 37, 48, 51, 67) ist die Romance op. 37 für Flöte wohl am besten bekannt, erfüllt sie doch alle Erwartungen an eine solche Form. Sie verbindet Klangsinnlichkeit und Eingängigkeit ohne einen Hauch von Sentimentalität, spielt emotional berührend ihr melodisches und harmonisches Potenzial aus. Der unmittelbaren Wirkung dieser Musik wird sich kaum jemand entziehen können.
Ihre Komposition im Kriegsjahr 1871 fiel in eine Zeit des politischen Umbruchs, aber Saint-Saëns hatte gerade noch rechtzeitig vor den Unruhen unter der Herrschaft der Kommune Paris verlassen können. Die Arbeit an der Romance beendete er im März im Londoner Exil. Die beiden ersten Aufführungen fanden nicht in Paris statt, sondern im Juli 1871 im deutschen Kurort Baden-Baden. Der aus Belgien stammende Flötist Amédée de Vroye spielte sie dort einmal mit dem Komponisten am Klavier und ein weiteres Mal mit Begleitung des Kurorchesters.
Man verbindet das Stück inzwischen mehr mit dem Namen Taffanel als mit dem des heute fast unbekannten Widmungsträgers, der seinerzeit als ausgezeichneter Flötist geschätzt wurde (mehr zu de Vroye unter www.henrikwiese.de/Aufsaetze/Wiese-Floete-Undine-4-2012.pdf). Dass Saint-Saëns ihm diese Komposition widmete, könnte sich durch ein gemeinsames Konzert mit einer Sonate von Bach in der Salle Erard im März 1870 ergeben haben; vermutlich war es die h-Moll- Sonate, das Programm ist nicht erhalten.
Tatsächlich bewirkte der Flötist und Dirigent Paul Taffanel durch seine Kunst die nachhaltige Beliebtheit der Romance, spielte sie bei vielen Gelegenheiten, oft auch zusammen mit dem Komponisten, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Im Rahmen der zur Förderung der zeitgenössischen französischen Instrumentalmusik neu gegründeten Société nationale fand die Pariser Erstaufführung am 6. April 1872 in der Salle Pleyel statt. Mit Orchester war das Stück ebenfalls dort zu hören, dies aber erst am 22. April 1880 und mit großem Erfolg, wie berichtet wird. Die Klavierfassung wurde als pour Flûte (ou violon) 1874 gedruckt, die Orchesterfassung erst 1897, beide bei Durand in Paris.
Diese Neuausgabe der Romance ist Teil einer größeren Edition der Instrumentalwerke von Saint-Saëns, die auch die drei Bläsersonaten op. 166, 167 und 168 aus seinem letzten Lebensjahr umfasst. Wie bei Henle selbstverständlich erhält man Information zum Werk und seiner biografischen Einordnung, erfährt u. a. auch, dass dessen Mittelteil aus einem nicht veröffentlichten Orgelstück stammt. Allerdings ist nur das Vorworts dreisprachig, während der Text zu Edition und Quellen nicht ins Französische übersetzt wurde. Die Wendestellen sind gegenüber der Durand-Ausgabe verbessert worden; wie dort gibt es keine separate Violinstimme, die Flötenstimme lässt sich leicht übertragen. Eine lohnende Anschaffung also, ganz unabhängig davon, ob man schon eine andere Ausgabe besitzt.
Ursula Pešek