Rodion Shchedrin – A Russian Composer

A Film by Wolf Seesemann, Featuring Martha Argerich, Valery Gergiev, Mariss Jansons, Lorin Maazel, Maya Plisetskaya and many more… Concert from the Moscow Tchaikovsky Conservatory with works by Rodion Shchedrin, 2 DVDs

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus Musik 101 663
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 80

Er ist ein Komponist, bei dem Interpreten Schlange stehen. Er ist ein Mann, der Martha Argerich schon mal ergriffen zu Füßen liegt. Und er ist mit seiner Musik weltweit bekannt und sogar populär geworden. Sein 80. Geburtstag im Dezember 2012 gab den Anlass, Rodion Shchedrin mit dieser Doppel-DVD zu würdigen: eine Dokumentation, Memoiren, das Festkonzert von 2007. Über Shchedrins Musik urteilt Lorin Maazel: „Die Quintessenz seiner Werke scheint auf den ersten Blick täuschend leicht verständlich, aber die kunstfertige Raffinesse seiner Tonsprache führt uns in die Tiefen seiner funkelnden Musik, die von Scharfsinn, Ironie, Humor, Lebensfreude und echter Komik erfüllt ist.“ Der Dirigent muss es wissen – hat er doch 1989 in Chicago das 3. Orchesterkonzert Alte russische Zirkusmusik, 2000 in München die 3. Sinfonie Gesichter russischer Märchen und 2002 in New York die Oper Der verzauberte Pilger uraufgeführt.
Und Shchedrin selbst umreißt die eigene Position unmissverständlich: „Ich denke, dass ein Komponist, der für andere Komponisten schreibt, sich nicht an die richtigen Zuhörer wendet. Die Musik ist dazu geschaffen, andere Menschen anzusprechen, mit Hilfe dieser spezifisch-musikalischen Sprache, die uns mit dem Himmel eint, mit Sommer, Winter, Herbst und Frühling, mit Wind, Sonne und Mond.“ Das sind die letzten Worte des
Interviews zu seiner Persönlichkeit und zu seinem Schaffen – und sie sind das Bekenntnis eines Musikers, den Mstislav Rostropovich als „einen eigenen Zweig des mächtigen Baumes der musikalischen Kunst Russlands“ würdigt.
Die zuvor gezeigte Film-Biografie reiht Natur- und Historienbilder, Künstlergespräche sowie Konzert- und Opernausschnitte wirkungsvoll zur Bild-Erzählung: die Geburtsstadt Moskau. Krieg und Evakuierung. Seine gebildete und gläubige Familie. Die Wolga und die Lieder der Bauern, die ihn geprägt haben. Die Rettung aus Kriegsnöten 1944 durch seine Aufnahme in die berühmte Moskauer Chorschule. Die großartigen Lehrer am Konservatorium: der Pianist Jakow Flier und der Komponist Juri Schaporin. Ein Segen war die Bekanntschaft mit Dmitri Schostakowitsch. Und ein Geschenk des Himmels: Maya Plisetskaya, die weltberühmte Primaballerina am Bolschoi, die 1958 seine Frau und Muse wurde, für die er fünf Ballette schrieb.
Die russischen Dichter Gogol, Leskow, Puschkin und Tolstoi sind seine Götter. Und schon mit dem 1. Klavierkonzert, seiner Diplomarbeit, war Shchedrin erfolgreich – er erhielt 1955 in Warschau einen Preis. 1965 fand die ungewöhnliche 2. Sinfonie nach Twardowskis Poem Am Tag als der Krieg endete große Beachtung, und 1968 stand ihm mit der New Yorker Uraufführung des 2. Orchesterkonzerts Glocken durch Leonard Bernstein die Welt offen… Auf der Konzert-DVD spielt das Russische Nationalorchester unter Mikhail Pletnev die Dialoge mit Schostakowitsch, Parabola concertante, die Romantische Musik Anna Karenina und Zwei Tangos von Albéniz. Und da hört man ein beeindruckendes Porträt in Tönen – es klingt, wovon zuvor die Rede war…
Eberhard Kneipel