Nauhaus, Gerd / Ingrid Bodsch (Hg.)

Robert Schumann: Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bartholdy

Textbearbeitung und Kommentar von Kristin R. M. Krahe und Armin Koch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Verlag Stadtmuseum Bonn, Bonn 2011 (2012)
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 65

Robert Schumann schätzte Felix Mendelssohn Bartholdy wie kaum einen anderen seiner Zeitgenossen. Im Herbst 1834 begegneten sich die beiden Komponisten zum ersten Mal und die gegenseitige Achtung, ja die Freundschaft der beiden hielt bis zu Mendelssohns frühem Tod im Jahr 1847 an. Und Mendelssohn war es auch, der 1841 Schumanns B-Dur-Sinfonie op. 38 und 1846 seine C-Dur-Sinfonie op. 61 im Leipziger Gewandhaus zur Uraufführung brachte. Schon kurz nach dem ersten Kennenlernen legte Schumann 1835 ein Notizbuch an, in das er seine Eindrücke und Gedanken über Mendelssohn niederschrieb. Schumann verweist in diesem Zusammenhang etwa auf Gedichte und zeitgenössische Zeitungsartikel, die anlässlich des Todes Mendelssohns erschienen waren, und er versucht eine Ordnung in seine Sammlung zu bringen. Die Erinnerungen an Mendelssohn bergen auch beispielsweise sein Bekenntnis: „Sein Lob galt mir immer als das höchste – die höchste letzte Instanz war er.“ Oder Schumann gibt schlagwortartig und zwischen anderem verstreut wieder, was er weiter so sehr an ihm schätzte: „Seine Sprachkenntnisse“ etwa oder: „Sein unglaubliches Gedächtniߓ, aber auch: „Seine Religiosität“.
Es sind dies keine irgendeiner chronologisch nachvollziehbaren Ordnung folgende Eintragungen, sondern Gedanken, die einem so eben einmal in den Sinn kommen. Man muss festhalten, es ergibt sich hieraus auch kein sich erst über Schumanns Mitteilungen erschließendes Bild über Men­delssohn. Aber Schumanns Notizen sind dennoch mitunter eine wichtige Quelle für so überraschende Einschätzungen Mendelssohns wie etwa jene, dass er Louis Spohr für den bedeutendsten zeitgenössischen Fugenkomponisten halte. Schumanns Erinnerungen an Mendelssohn sind im Jahr 2011 von Gerd Nauhaus und Ingrid Bodsch in einer neuen, Seite für Seite vorgehenden Gegenüberstellung von Faksimile und Übertragung (selbst leergebliebene Notizbuchblätter werden da nicht unterschlagen) herausgegeben worden. Ergänzt werden die teils kargen, oftmals nur im Stenogrammstil gehaltenen Notizen Schumanns durch eine von Kristin R.M. Krahe und Armin Koch verantwortete umfangreiche Kommentierung, die auf dem jüngsten Stand der Schumann- und Mendelssohn-Forschung basiert. Und sie ist es, aus der man hier unschätzbaren Gewinn zieht: Nicht nur finden Schumanns knappe Äußerungen hier in der Erläuterung und der Einordnung in den Kontext erst das rechte Verständnis, nicht nur wird hier auf eine Fülle von weiterführenden Fundorten zu den angesprochenen Kompositionen und zu den Musikerkollegen, die in Schumanns Erinnerungen erwähnt werden, verwiesen, nicht nur erhalten in diesem Zusammenhang selbst sogar Wortschöpfungen, die aus Schumanns rheinischem Dialekt herrühren (wenn er eine Person „viereckig“ nennt) dank entsprechender Literaturverweise allgemein verständliche Aussagekraft, nein, es sind der akribisch vorgehenden Kommentierung auch in vollem Wortlaut noch jene Gedichte und Artikel auf Mendelssohns Tod angefügt, die Schumann auflistet, und es findet sich am Schluss des Bandes ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Personenregister. Erst so rundet sich das Bild, das Schumann von Mendelssohn hatte, und das bis ins letzte Detail.
Thomas Bopp