Dombois, Johanna / Richard Klein
Richard Wagner und seine Medien
Für eine kritische Praxis des Musiktheaters
Es gibt Wagner-Bücher, die um so mehr verwirren und fragwürdig werden, je länger man in ihnen liest. Zu dieser Sorte gehört der 500-seitige, von Johanna Dombois und Richard Klein herausgegebene Band Richard Wagner und seine Medien. “Für eine kritische Praxis des Musiktheaters” lautet der Untertitel, der sich nicht wirklich erschließt, auch wenn die Herausgeber argumentieren, es handele sich um ein “Ganzes von offener Form”, einen “Text aus vielen Texten”. Da wird ein sehr erweiterter Medienbegriff als beliebige Schaltstelle zwischen World Wide Web und Geschichte, Kunst und gesellschaftlicher Realität zur Rechtfertigung eines Sammelsuriums unterschiedlichster Texte vorgebracht, um doch nur eine “Buchbindersynthese” aus Rezensionen, Filmanalysen, Theaterkritiken, Musikreflexionen und Betrachtungen zu neuen Medien unter einen Hut zu bringen. “Wo Hype und Medien sich kreuzen”: Was soll das heißen? Und was, bitte, soll das Umschlagfoto suggerieren, das den Blick von der Bühne in den leeren Zuschauerraum des Opernhauses Zürich zeigt? Man hätte genauso gut irgendein anderes Opernhaus abbilden können.
Das ist bezeichnend für die Konzeption des Bandes und seiner notdürftig zusammengestellten, sehr heterogenen 23 Beiträge, die nur vorgeben, Wagners Werk als “Musiktheater von heute” begreifbar zu machen. Beiträge wie “Schlaf als Struktur in Wagners Theater” und “Thesaurus für Träume. Register sämtlicher Träume Richard Wagners” (soweit durch Cosima Wagners Tagebücher dokumentiert) sind (auch wenn sie mit Medien kaum etwas zu tun haben) noch das Originellste in diesem Sammelband.
Ein Aufsatz immerhin verblüfft: Johanna Dombois engagierte Offenbach-Huldigung, doch sie passt so gar nicht in den Reigen der übrigen Beiträge, die zum größten Teil bereits andernorts publiziert wurden. Vom Thema ganz zu schweigen. Und ob die “Neuen Medien” für “ein zeitgemäßes Wagner-Verständnis wichtig” sind, wie behauptet wird, darf ernsthaft in Frage gestellt werden. Was heißt denn schon “zeitgemäß”?
“Wagner mag sich als Theoretiker noch so sehr zu einer ‘organischen’ Mitte des Lebens u.Ä. bekannt haben, als Künstler tut er das Gegenteil. Überall rechnet er mit der Isoliertheit der Elemente, die er dann verschaltet: [
] Darin liegt der Grund, dass die Charaktere in Wagners Werken, Revolution hin oder her, so sehr viel zersplitterter und zumal widerstandärmer sind als etwa Beethovens idealistisches Ich-Tier. Im Gegenzug haben sie einen hochentwickelten Sensus für alles, was mächtiger als sie selbst ist. Sie sind rezeptiv bis zum Anschlag medienaffin.”
Dieser so rätselhafte wie grotesk-absurde Satz ist bezeichnend für das ganze Buch. Mache sich, wer will, seinen Reim darauf. Vor allem bestätigt derlei Geschriebenes einmal mehr die Fragwürdigkeit dessen, was sich heute Wissenschaft nennt und sich einer aufgeblasenen, wichtigtuerischen Wissenschaftssprache bedient, um die Dürftigkeit und Belanglosigkeit des Geschriebenen zu verbergen.
Dieter David Scholz