Wolfgang Mende/Hans-Günther Ottenberg (Hg.)
Richard Strauss und die Sächsische Staatskapelle
Während des Richard-Strauss-Jahres 2014 fand in Dresden eine Tagung zum Thema „Richard Strauss und die Sächsische Staatskapelle“ statt. Das daraus entstandene, über 700 Seiten starke Buch ist nicht nur in seinem Umfang, sondern auch in seinem Inhalt gewichtig. Zwar steht selbstverständlich das Historische im Vordergrund, aber im Gespräch von Torsten Bleich mit Wolfgang Rihm wird auch der Bogen in unsere Gegenwart geschlagen. Das Gespräch von Bettina Volksdorf mit Thomas Hampson, Anja Harteros und Christian Thielemann gibt zahlreiche Einblicke in die Praxis heutiger Interpreten und wie sie die Herausforderungen der Strauss’schen Kompositionen meistern.
Die musikhistorischen Beiträge stellen dem Leser eine enorme Wissensfülle zum Thema Dresden und Strauss zur Verfügung. In der „Dokumentation“ bieten Wolfgang Mende und Hans-Günter Ottenberg vielfältige Einblicke in die frühe Rezeption der Musik von Strauss zwischen 1882 und 1902. Dass die im Faksimile abgedruckten Kritiken nur mit dem Vergrößerungsglas gelesen werden können, ist freilich eine Hürde im ansonsten leserfreundlich geschriebenen Buch. Die Liste der zwischen 1882 und 1902 in Dresden aufgeführten Werke von Strauss und die ergänzte und korrigierte Trenner’sche Chronik der Dresdner Aufenthalte von Strauss machen das Buch zu einem hilfreichen Nachschlagewerk. Dass hier der Briefwechsel zwischen Strauss und Hermann Kutzschbach, dem zweiten Dirigenten neben Schuch und nach dessen Tod Erster Kapellmeister, ediert wird, bereichert den Band ebenso wie Steffen Lieberwirths Text zum Briefwechsel zwischen Strauss und Fritz Busch, dem Chefdirigenten der Semperoper von 1921 bis 1933, der die sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der beiden Musiker spiegelt. Musikliebhaber wissen, dass Dresden noch vor München und Wien wegen der Uraufführungen seiner meisten Opern die wichtigste „Strauss-Stadt“ ist. Die Hintergründe können sie in diesem Buch kennenlernen. Wolfgang Mende beschreibt die tragische Geschichte des Komponisten und Dirigenten Jean Louis Nicodé und seiner Heldenleben-Sinfonie. Matthias Hermanns Porträt des Dirigenten Ernst von Schuch spiegelt über Dresden hinaus das Musikleben jener Zeit. Für Musiker sind Peter Damms „Beobachtungen“ in den Strauss-Orchestermaterialen aufschlussreich. Eckart Haupts Recherchen zur Böhm-Flöte in Dresden ermöglichen ein differenziertes Bild historischer Aufführungspraxis. Manuel Gervink zeigt, was „Moderne“ für Strauss bedeutet. Klaus Aringer untersucht die Rolle des „kleine(re)n Orchesters“ und Claudia Heine belegt mit ihrer Beschreibung der „Dresdner Salome-Retouchen“ die Abkehr des Komponisten von der „Klangekstase“ bei der Uraufführung. Wer sich für Strauss und Dresden interessiert, muss dieses Buch lesen, bietet es doch Lesestoff und Nachschlagewissen für eine lebenslange Beschäftigung.
Franzpeter Messmer