Johannes Brahms

Rhapsodie op. 53 (Alt-Rhapsodie)

hg. von Rainer Boss, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus
erschienen in: das Orchester 07-08/2019 , Seite 62

„Aber abseits, wer ist’s?“ sind die eröffnenden Worte in der Rhapsodie für Alt-Solo, Männerchor und Orchester op. 53, die Johannes Brahms auf ausgewählte Strophen von Johann Wolfgang von Goethes Gedicht Harzreise im Winter aus dem Jahr 1777 geschrieben hat. Brahms gibt darin einen verklausulierten Einblick in sein Innenleben, das Anlass für die Komposition war.

Von der emotionalen Wirkung, die von der im düsteren c-Moll beginnenden, sich aber zum hoffnungsvolleren C-Dur wendenden Komposition ausgeht, legt Clara Schumann Zeugnis ab. Brahms hatte ihr 1869 aus Anlass der Hochzeit ihrer Tochter Julie die Partitur zum – inhaltlich doch eher ungewöhnlichen – Geschenk gemacht: „Es erschütterte mich so durch den tiefsinnigen Schmerz in Wort und Musik, wie ich mich lange nicht eines solchen Eindrucks erinnere… Ich kann dies Stück nicht anders empfinden als wie die Aussprache seines eigenen Seelenschmerzes.“ Es war die besondere Beziehung, die Brahms zu Claras Tochter Julie hatte, die diese unerwartete Gefühls­lage hervorrief. Er hatte im Stillen Julie verehrt und war von deren Verlobung und anschließender Hochzeit mit einem italienischen Grafen zunächst sehr schockiert.

Im Vorwort der vorliegenden Ausgabe werden die Hintergründe des Werks von Herausgeber Rainer Boss ausführlich dokumentiert. Brahms hatte auch die öffentliche Aufführung hinausgezögert, die dann 1870 in Jena stattfand. Im gleichen Jahr wurde die Rhapsodie bei Simrock in Berlin gedruckt. Dem Erstdruck folgte noch im gleichen Jahr eine zweite Auflage, die als Hauptquelle für die vorliegende Urtext-Ausgabe dient, da Brahms in sein Handexemplar der Erstausgabe Stichfehler-Korrekturen und die Streichung eines Unisonos zwischen Solo-Alt und Chor-Tenorstimme eingezeichnet hat, was dann in die zweite Auflage eingeflossen ist, die damit den authentischsten Notentext darstellt. Das äußere Bild der Partitur wurde den heutigen Gepflogenheiten in Bezug auf die Anordnung der Stimmen und in weiteren für die Aufführungspraxis unwesentlichen Details angeglichen.

Die Anmerkungen verzeichnen und begründen die vom Herausgeber durchgeführten Änderungen, die sich zumeist auf die Angleichung und sinnvolle Ergänzung von Crescendo/Decrescendo-Gabeln und Abweichungen im Gedichttext beziehen. Der Carus-Verlag ist mit seiner sorgfältig editierten Urtext-Ausgabe der (Dirigier-) Partitur der Johannes-Brahms-Gesamtausgabe einen Schritt voraus, in der die Rhapsodie noch nicht vorliegt. Neben der Partitur sind auch das komplette Aufführungsmaterial und ein Klavierauszug erhältlich.

Heribert Haase