Werke von Iwan Müller, Camille Saint-Saëns, Norbert Burgmüller und anderen

Reunion

Ognjen Popović(Klarinette), Mirjana Rajić(Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 85

Der CD-Titel Reunion ist nicht als Programm zu verstehen, er spielt auf die Situation der Interpreten an, die aus Serbien stammen und zu Studentenzeiten in München bereits einmal ein Duo gebildet hatten, und sich nach der Trennung ihrer Berufswege jetzt wieder gemeinsam neuen Aufgaben stellen. Der Klarinettist Ognjen Popović wurde Soloklarinettist der Belgrader Philharmoniker und Mirjana Rajić widmete sich neben ihrer Karriere in Dresden verstärkt pädagogischen Aufgaben.

Die Wiederbegegnung führte nun zu der vorliegenden Aufnahme, die „frisch, abwechslungsreich und einzigartig“ sein soll, wie das Duo im Booklet schreibt – aber welche Künstler würden nicht die gleichen Ansprüche haben?

Bei der Programmgestaltung überwiegt die Vielfalt, ohne dass ein durchdachtes Konzept zu erkennen wäre. Die Abfolge erscheint stellenweise willkürlich. Dass das Duo mit einer Komposition des Klarinetten-Reformators Iwan Müller beginnt und den spieltechnischen Standard um 1840 am Beispiel des Bravourstücks Le chateau de Madrid op. 79 demonstriert, ist noch einleuchtend – auch als Visitenkarte des Duos, das den Wechsel von Kantilenen und überreich verziertem Passagenwerk in der Klarinette mühelos bewältigt.

Die traditionsbewusste Klarinetten-Sonate von Camille Saint-Saëns aus dem Jahr 1921 steht an zweiter Stelle. Ihr immanenter romantischer Gestus kommt in der Interpretation nicht in seiner ganzen Tiefe zum Tragen. Hier macht sich auch die nicht ganz geglückte Aufnahmetechnik mit einem etwas zu undeutlichen Gesamtklang und etwas störenden Klappengeräuschen bemerkbar.

Es folgt das Duo Es-Dur op. 15 von 1834 des früh verstorbenen Schumann-Zeitgenossen Norbert Burgmüller. Hier hätte der drängende Ausdruck in der Klarinette noch stärker hervortreten müssen. Im romantischen Gestus gehalten erklingt sodann mit Estudio Melódico op. 33 eine elegische Melodie des komponierenden spanischen Klarinettisten Miguel Yuste, der darin aber nicht ganz auf das gewohnte Passagenwerk verzichtet.

Kontrastreich und mit großer Intensität realisiert das Duo die in den Ecksätzen von der Rhythmik bestimmte Sonatine op. 29 von 1951 des Engländers Malcolm Arnold, der man eine größere Präsenz im Konzertleben wünscht. Nach diesem interpretatorischen Höhepunkt verblasst die gefühlvolle Aria des Franzosen Eugène Bozza etwas. Mit zwei Eigenkompositionen des Klarinettisten Ognjen Popović, einem Tanz aus dem Banat, angereichert mit Jazz-Anklängen, und einem leicht poppigen Lied ohne Worte In My Heart klingt die CD aus.

Mirjana Rajić und Ognjen Popović sind zweifellos ein gut aufeinander eingespieltes, technisch souveränes Duo, das aber noch differenzierter in Dynamik und Tongebung den Intentionen der Komponisten nachspüren müsste. Schade, dass sie nicht die „einzigartige“ Chance genutzt haben, uns mit originalen Werken aus ihrer Heimat bekannt zu machen.

Heribert Haase