Wolfgang Amadeus Mozart
Requiem KV 626
ergänzt und hg. von Howard Arman, Partitur
„Schon wieder eine Ausgabe?“, wird sich manch Mozartfreund gefragt haben, als er von diesem Requiem KV 626 des Carus Verlags erfuhr, ergänzt und ediert von Howard Arman.
Was also verleiht dieser weiteren Ausgabe ihr Existenzrecht? Das ist sicher zuerst ihr Herausgeber. Howard Arman darf wohl ohne Übertreibung zu den kompetentesten und renommiertesten (Chor-)Dirigenten der vergangenen Jahrzehnte gezählt werden. Seine langjährige Zusammenarbeit mit dem BR-Chor ist dafür nur ein strahlendes Beispiel und beweist seine Wandlungsfähigkeit und seine Expertise in der Auseinandersetzung mit historischer Aufführungspraxis sowie historischem Notenmaterial aufs Eindrücklichste.
Und dann natürlich die spezifische Herangehensweise Armans an die Ergänzung: Anders als viele seiner „Mittäter“ hält er sich bei den nicht von Mozart ausgeführten Teilen des Requiems (Sanctus, Benedictus, Agnus, Communio) an die altbewährte und in den meisten Hörerohren wohlfundierte Fassung von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr, den Constanze Mozart nach dem Tod ihres Gatten mit der Vollendung des Stücks beauftragt hatte. Neu ist hier dagegen die Orchestrierung der autografen Teile Kyrie, Dies Irae, Rex tremendae, Recordare und Lacrimosa, für die Mozart zwar die Chorstimmen und einen teils bezifferten Bass notiert hatte, die Orchesterstimmen aber nur in Ansätzen, sodass Süßmayr sie für den ersten Druck fertig ausführte. Kurz: Arman misst sich bewusst mit Süßmayr als Orchestrator, nicht aber mit ihm als Komponisten, der von Mozart gelernt hat und mit dessen Ideen wohl am besten vertraut gewesen sein dürfte.
Das Ergebnis ist ausgesprochen überzeugend, wirkt rund und authentisch. Es gelingt Arman, so manchen Affekt, so manche in anderen Ausgaben untergegangene Raffinesse von Mozarts Material durch sein offensichtlich höchst umfassendes Wissen um dessen Kompositionsweise und Instrumentarium wirkungsvoll ans Tageslicht zu holen: genial etwa die Idee der eigenständigen Posaunen (statt in anderen Ergänzungen im Vergleich geradezu platt wirkende Trompeten) im höllischen Confutatis; eine dem Text nähere, freiere Rhythmisierung im Lacrimosa; die die Sequenz nach d-Moll zurückführende, auf originalen Skizzen fußende, aber doch im Mozartstil neu komponierte Amen-Fuge.
Es sind am Ende oft nur Kleinigkeiten, die sich von früheren Editionen unterscheiden, sodass nun niemand seine alten Partituren entsorgen müsste. Aber wer sich neu mit diesem Werk beschäftigt oder nach neuem Notenmaterial sucht, der dürfte mit Armans Ausgabe definitiv einen hervorragenden Griff tun!
Andrea Braun